Der junge Mann und die alten Autos
05.06.2020 Frutigen, Wirtschaft, GesellschaftBERUFSPORTRÄT Seit 2016 gibt es den Lehrgang zum Fahrzeugrestaurator. Die auf die Arbeit an rollenden «Oldies» orientierte Ausbildung begeistert auch junge Berufsleute. Einer davon ist der Frutiger Automobilmechatroniker Lars Reichen.
MICHAEL MAURER
Bei diesem ...
BERUFSPORTRÄT Seit 2016 gibt es den Lehrgang zum Fahrzeugrestaurator. Die auf die Arbeit an rollenden «Oldies» orientierte Ausbildung begeistert auch junge Berufsleute. Einer davon ist der Frutiger Automobilmechatroniker Lars Reichen.
MICHAEL MAURER
Bei diesem Anblick muss jeder Automobil-Begeisterte in Fahrt kommen: Im vorderen Teil der Garage werden beim Besuch des «Frutigländers» gerade Arbeiten an neueren Modellen ausgeführt, während weiter hinten wunderschöne Oldtimermodelle um die Wette glänzen. Mittendrin bewegt sich Lars Reichen. Als ausgebildeter Automobilmechatroniker arbeitet er bei der Frutiger FRT Auto GmbH an Fahrzeugen verschiedenster Jahrgänge. «Manchmal helfe ich bei der Arbeit an Neuwagen», erklärt der 22-Jährige und ergänzt: «Es gibt Wochen, da bin ich nur mit Oldtimern beschäftigt.» Dem aufgestellt wirkenden Frutiger gefallen die Abwechslung und der individuelle Gestaltungsspielraum an seiner aktuellen Arbeitsstelle spürbar. Dass sein Herz für Fahrzeuge schlägt, die oft bedeutend älter als er sind, fällt ebenso auf.
Vom VW Käfer zur Mechatronikerlehre
Diese Neigung entwickelte sich bei Lars Reichen bereits in der Kindheit. «Mein Vater hatte schon immer Autos», erinnert er sich und erwähnt unter anderem den VW Käfer. Selbstverständlich fuhren Vater und Sohn damit an Treffen, was nicht zuletzt die Berufswahl beeinflusste. Der damalige Oberstufenschüler Reichen schnupperte in verschiedenen handwerklichen Berufen. Dass die Wahl letztlich auf die Lehre als Automobilmechatroniker fiel, erstaunt bei Reichens Vorgeschichte kaum.
Ebenso wenig verwundert, dass er während seiner Lehrzeit gleich selbst Fahrzeuge kaufte. «Ich hatte mehrere Autos nebenbei», gibt der VW-Golf-Fan preis. Die Lehre steigerte Reichens Interesse am Technischen zusätzlich. Er hegte gar den Gedanken, sich Richtung Ingenieur weiterzubilden und absolvierte die Berufsmaturität. Den schulisch begabten Handwerker zog es dann aber doch in die Werkstatt und damit zu seiner aktuellen Arbeitgeberin auf dem ehemaligen Flugplatz Frutigen.
Das Automobil ganzheitlich verstehen
Er, der in seiner Freizeit gerne auch mit dem Fahrrad und auf Ski unterwegs ist, realisierte nun, dass sich die heutigen Lehrinhalte und die Arbeit an älteren Fahrzeugen teils unterscheiden. Das Einstellen von Vergasern oder Lichtmaschinen etwa ist bei modernen Alltagsfahrzeugen nicht mehr notwendig. Dementsprechend sind derartige Tätigkeiten zugunsten der diagnoselastigen Arbeiten an Neuwagen aus den Lehrplänen verschwunden. Lars Reichen bedeutet allerdings das umfassende Verständnis viel: «Ich habe auch Interesse am Ganzen», meint er und begründet so seine Wahl für die Weiterbildung zum Fahrzeugrestaurator.
Seit Januar 2019 eignet sich der junge Mann im modulartig aufgebauten Lehrgang neben seiner Berufspraxis nun zusätzliches Know-how für die Arbeit an älteren Fahrzeugen an. Die meist kurz gehaltenen Theorieblöcke in Verbindung mit den verschiedenen Posten zur praktischen Arbeit an Motoren kommen bei Lars Reichen gut an. Diese vermitteln ihm viel Sicherheit und Selbstständigkeit in seinem Berufsalltag.
Wenn Geduld gefragt ist
Obschon – von routinemässigem Alltag kann bei der Arbeit an den über 30-jährigen Oldtimer- und den etwas jüngeren Youngtimer-Fahrzeugen kaum die Rede sein. Abgesehen von Carrosseriearbeiten werden bei der FRT Auto GmbH so ziemlich alle Arbeiten an den Klassikern auf vier Rädern durchgeführt. Während neue Autos zum Fahren schon praktisch seien, wie der Oldtimerfan meint, hätten ältere Gefährte ihre Persönlichkeit. Nun haben auch «automobile» Persönlichkeiten ihre Eigenheiten. Dies beschert den Mechanikern herausfordernde Arbeiten, beispielsweise bei der Fehlersuche. «Du brauchst viel Geduld», weiss Reichen zu berichten.
Es besteht reges Interesse an der Ausbildung zum Fahrzeugrestaurator. Bereits hat ein weiterer, junger Arbeitskollege von Lars Reichen den Lehrgang in Angriff genommen. Garageninhaber Adrian Fritschi bestätigt: «Ich hatte ein paar Interessenten, die die Ausbildung machen wollten.» Und wie steht es mit der Nachfrage jüngerer Käufer für Oldtimerfahrzeuge? «Dort könnte das Interesse noch zunehmen», analysiert Adrian Fritschi. Schliesslich muss auch käufer- und nicht nur mechanikerseitig das Flair für ältere Autos vorhanden sein.
Die Ausbildung
Der Lehrgang FahrzeugrestauratorIn mit eidg. Fachausweis wurde 2016 lanciert. Der berufsbegleitende Lehrgang ist modular aufgebaut, z.B. mit Einheiten zu Motor und Autoelektrik. Die rund zwei Jahre dauernde Ausbildung wird mit einer eidgenössischen Abschlussprüfung abgeschlossen. Interessenten sollten drei Jahre Berufspraxis, davon ein halbes Jahr mit Oldtimerfahrzeugen, mitbringen.
Weitere Informationen zum Lehrgang finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html