Die Suche wird noch schwieriger
12.06.2020 Region, Wirtschaft, Bildung|SchuleRund zwei Drittel aller Schweizer Jugendlichen absolvieren eine Berufslehre. Infolge der Corona-Pandemie gehen jedoch Plätze dafür verloren. Drei Jugendliche aus der Region erzählen über ihre Perspektiven.
ANNA BRÜGGER
In welches Berufsfeld es ihn ...
Rund zwei Drittel aller Schweizer Jugendlichen absolvieren eine Berufslehre. Infolge der Corona-Pandemie gehen jedoch Plätze dafür verloren. Drei Jugendliche aus der Region erzählen über ihre Perspektiven.
ANNA BRÜGGER
In welches Berufsfeld es ihn zieht, weiss Marcel Ming aus Krattigen schon lange: «Mein absoluter Traumberuf wäre Baumaschinenmechaniker», erzählt der 14-Jährige. Seit er im Rahmen des nationalen Zukunftstags in der Werkstatt einer Baufirma mitarbeiten durfte, steht sein Berufswunsch fest. Die Arbeit im Team, die Vielseitigkeit des Jobs und natürlich die Baumaschinen sagten Marcel sofort zu. Auch die zahlreichen Schnupperlehren in anderen Berufen änderten nichts mehr daran.
Stark verändert hat sich hingegen die Berufswahlsituation in den letzten Monaten: Schnupperlehren waren nicht oder nur noch bedingt möglich, Eignungstests mussten verschoben werden. Die Ausbildungsplätze sind knapper als gewohnt – eine Veränderung, die nicht unbemerkt an Marcel vorbeigegangen ist. In seiner Klasse, wo die Berufswahl zurzeit ein zentraler Punkt ist, sei eine deutliche Anspannung zu spüren gewesen. Marcel selbst ist mittlerweile zuversichtlich – zwischenzeitlich sei dies jedoch nicht der Fall gewesen. «Im Winter hat man gedacht, man habe noch so lange Zeit», gesteht er. In den Frühlingsferien wollte sich der 14-Jährige dem Schnuppern widmen, sich anschliessend ans Bewerben machen. Doch als es Frühling wurde und Schnupperlehren nicht wie erhofft möglich waren, wurde es auch für Marcel unangenehm: «Als ich vor drei Wochen noch fast gar nichts hatte, war das schon ein ziemlicher Druck. Aber nun habe ich Gas gegeben.»
Einen Plan B auf Lager
Gas gegeben hat der 8.-Klässler in vielerlei Hinsicht. Er wurde aktiv, kontaktierte Betriebe und machte mit ihnen neue Daten fürs Schnuppern aus. Auch seine erste Bewerbung versendete er. Dass er dabei immer auf die Unterstützung seiner Eltern zählen konnte, sei sehr hilfreich gewesen.
Des Weiteren legte sich Marcel einen Plan B zurecht, für den Fall, dass es mit seinem Berufswunsch nicht klappen sollte. Eine Mechanikerausbildung in einem anderen Bereich käme für den Schüler als Alternative infrage. Diese Variante wäre ihm immer noch lieber, als ein Zwischenjahr einzulegen. Und trotzdem: An erster Stelle steht nach wie vor sein Traumberuf – der Baumaschinenmechaniker.
Livestream anstatt Schnupperlehre
Einen klaren Berufswunsch hat auch Yanis Dängeli aus Ladholz. Der 15-Jährige möchte irgendwann im IT-Bereich tätig sein – als Informatiker oder Mediamatiker. Denn die Arbeit am Computer hat es dem 8.-Klässler angetan. Auch in der Freizeit geht er seiner Leidenschaft nach und produziert selber Videos. Das Interesse dafür liegt in der Familie: «Mein Vater hat ein Fotostudio und macht auch Filme.» Dies sei der Auslöser für seinen Berufswunsch gewesen, erzählt Yanis.
Für einen 8.-Klässler wie Yanis, der das richtige Bewerben gerade erst in der Schule gelernt hat, kam der Lockdown äusserst unpassend. Er sei in den letzten Monaten in Sachen Berufswahl nicht mehr vorwärtsgekommen, berichtet Yanis. Macht ihm das Szenario Angst, dass sich momentan eventuell kein Ausbildungsplatz finden lässt? «Angst nicht, aber ich denke schon darüber nach», meint der Schüler. Eine mögliche Lösung wäre für ihn, das 10. Schuljahr anzuhängen. Denn einen anderen Beruf zu erlernen, einfach um eine Lehrstelle zu finden, sieht Yanis eher nicht als Option. Erstmal ein weiteres Jahr zur Schule zu gehen und dann nochmal zu versuchen, eine Stelle in seinem Traumberuf zu ergattern, wäre ihm deutlich lieber. Schnuppern war auch Yanis in dieser Zeit nicht. Er wählte aber eine etwas andere Variante, um seinen Wunschberuf näher kennenzulernen. Per Livestream konnte er an einem Infoanalass des Telekommunikationunternehmens Swisscom teilnehmen. Von zu Hause aus zu erfahren, wie es dort so läuft, empfand Yanis als hilfreiche Alternative zum klassischen Schnuppern.
Eine Lehrstelle auf sicher
Die ganze Situation deutlich entspannter betrachten kann die 15-jährige Laura Künzi aus Kandersteg. Sie besucht momentan die 9. Klasse und weiss bereits, wie es im Sommer für sie weitergehen wird: Eine Ausbildung zur Kauffrau auf der Gemeinde Frutigen steht ihr bevor. Unter den momentanen Umständen ist sie besonders froh, bereits eine Lehrstelle zugesichert zu haben. «Wenn ich jetzt noch nicht wüsste, wie es weitergehen soll, wäre ich extrem gestresst», ist sie sich sicher. Trotz grosser Erleichterung blickt die Schülerin ihrem Lehrbeginn aber mit gemischten Gefühlen entgegen – unabhängig von der Corona-Situation. «Weil es etwas komplett Neues ist. Aber ich freue mich trotzdem.» Dies auch deswegen, weil sie dadurch einem ihrer Ziele – einem späteren Psychologiestudium – ein Stück näherkommt.
Der Start muss gelingen
Laura hofft, dass die Situation im August einen möglichst normalen Lehrbeginn zulässt. «Es ist halt wichtig, dass man einen guten Start hat», meint sie und fügt hinzu: «In der Berufsschule möchte ich unbedingt mit Präsenzunterricht beginnen.» Doch was hätte sie eigentlich getan, wenn die Pandemie ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte und die Lehrstellensuche erfolglos geblieben wäre? Auf diese Frage kann Laura wohl deutlich gelassener antworten als Gleichaltrige, die direkt von der Problematik betroffen sind. Trotzdem ist sie unschlüssig. Eine Lehre in einem verwandten Beruf oder doch ein Zwischenjahr? Die 9.-Klässlerin findet beide Varianten nachvollziehbar, trotzdem hat sie eine Tendenz: «Ich würde vermutlich schon eher einen anderen Beruf wählen, anstatt ein weiteres Jahr nicht sicher zu sein, was ich machen will.»