Streit um Motorfahrzeugsteuer
26.06.2020 Region, PolitikDas Jahr 2019 schloss der Kanton Bern mit einem deutlichen Überschuss ab, für Unternehmen und Private waren Steuersenkungen geplant. Dann kam Corona. Nun stehen viele Pläne auf dem Prüfstand.
MARK POLLMEIER
Die finanzpolitische Lage des Kantons gleicht in letzter ...
Das Jahr 2019 schloss der Kanton Bern mit einem deutlichen Überschuss ab, für Unternehmen und Private waren Steuersenkungen geplant. Dann kam Corona. Nun stehen viele Pläne auf dem Prüfstand.
MARK POLLMEIER
Die finanzpolitische Lage des Kantons gleicht in letzter Zeit einer Achterbahnfahrt. Gute und schlechte Nachrichten wechseln sich ab, und was nach der nächsten Kurve kommt, weiss niemand so genau.
Ende März, mitten in der Corona-Krise, wurde bekannt, dass die kantonale Rechnung 2019 mit einem Ertragsüberschuss von 265 Millionen Franken abschliesst, deutlich besser, als budgetiert.
400 Millionen Corona-Kosten im Kanton
Nun, da die Corona-Massnahmen weitgehend aufgehoben wurden, beginnt das grosse Rechnen, welche Schäden sie im laufenden Haushalt 2020 wohl anrichten werden. Genaues wird man erst in einigen Monaten sagen können, doch die Dimension lässt sich bereits abschätzen. Die Finanzkommission des Grossen Rates geht aktuell davon aus, dass sich die Notverordnungen des Regierungsrates auf knapp 400 Millionen Franken belaufen werden. Fast zwei Drittel davon, nämlich 270 Millionen Franken, werden allein im Spitalwesen anfallen.
Es gibt sogar eine Nachricht, die eigentlich erfreulich ist, sich letztlich aber negativ auswirkt. Die Wirtschaftskraft des Kantons hat sich zuletzt verbessert, die steuerliche Leistungsfähigkeit ist gestiegen. Die Quittung dafür ist jedoch, dass der Kanton nicht mehr so viel Geld aus dem nationalen Finanzausgleich erhalten wird. Waren es für das laufende Jahr noch 1,1 Milliarden Franken, werden es 2021 «nur noch» knapp 890 Millionen sein. Ob die Wirtschaftsstärke des Kantons dauerhaft wachsen wird, muss sich erst noch zeigen. Dass im nächsten Budget 200 Millionen Franken fehlen werden, ist dagegen ziemlich sicher.
Bremse gelockert, nicht ausgesetzt
Es ist derzeit also nicht ganz einfach, eine solide Finanzpolitik für den Kanton Bern zu entwerfen. Das zeigt sich nicht zuletzt in den politischen Beschlüssen der letzten Tage. Anfang des Monats stand die Frage im Raum: Soll man angesichts der speziellen Situation die sogenannte Schuldenbremse aussetzen? Das Instrument, das den Kanton zur Ausgabendisziplin zwingt, steht immerhin in der Verfassung.
Die Bürgerlichen waren strikt dagegen, die Schuldenbremse für die Corona-Kosten des Kantons zu lockern. Doch am Ende setzten sich im Grossen Rat die Links- und Mitteparteien durch. Wie von der Regierung beantragt, werden die ausserordentlichen Kosten der Krise nicht auf die Schuldenbremse angerechnet. Die Schuldenbremse wird also gelockert, ansonsten aber nicht ausgesetzt.
Unternehmen entlasten: Ja oder Nein?
Nächster Streitpunkt war eine lange geplante Steuersenkung. 2021 sollten die bernischen Unternehmen im Umfang von 40 Millionen Franken entlastet werden. Doch kann man sich eine solche Massnahme nach der Corona-Krise noch leisten? Die Linksparteien im Grossen Rat fanden: Nein. Auch für eine Mehrheit in der Finanzkommission war die Senkung der Unternehmenssteuern plötzlich wieder verhandelbar, und selbst die Regierung wackelte angesichts der getrübten Konjunkturaussichten.
Diesmal setzten sich jedoch die Bürgerlichen durch. Zwar steht der Entscheid über die Steuersenkung erst im Herbst an, doch bis dahin wird nicht weiter darüber verhandelt. Die Regierung hat also weiterhin den Auftrag, die steuerliche Belastung von Firmen zu senken. Entscheiden wird das Parlament dann in der Novembersession.
Schon wieder die Fahrzeugsteuer
Geplant war indes auch eine steuerliche Entlastung der natürlichen Personen von 30 Millionen Franken – doch darüber ist nun ein Streit entbrannt. Gegenfinanziert werden sollte diese Steuersenkung nämlich mit einer Erhöhung der Motofahrzeugsteuer ab dem Jahr 2022. Diese Steuerart war im Jahr 2012 per Volksentscheid gesenkt worden, seit 2013 ist sie um ein Drittel tiefer.
Die einen Steuern rauf, die anderen runter – in der Vernehmlassung zeigte sich nun aber, dass manche Parteien mit diesem «Gegengeschäft» unzufrieden sind. Die einen sorgen sich um die Autofahrer als «Milchkühe» der Nation, die anderen haben eher den sozialen Ausgleich im Blick. Wieder andere finden, der ökologische Aspekt komme im jetzigen Entwurf zu kurz – schliesslich habe sich in Sachen Ökobewusstsein einiges bewegt in den letzten zehn Jahren.
Auch die Summe, die eine Erhöhung der Fahrzeugsteuer einbringen soll, ist umstritten. Die Regierung plant mit 40 Millionen Franken – genug Geld, um die Steuern für Private zu senken. SP und Grüne haben eher eine Summe von 100 Millionen Franken im Sinn. Schon hat die SVP-Fraktion im Berner Rathaus mit dem Referendum gedroht, sollte die Steuererhöhung zu weit gehen.
Wie viel überweist die SNB?
Neben all diesen Einflüssen sorgt ein weiterer Faktor für Unklarheit. Wie hoch die Überschüsse der Schweizerischen Nationalbank SNB künftig ausfallen werden, kann derzeit kaum jemand abschätzen. Für das Jahr 2019 hatte die SNB vier Milliarden Franken ausgeschüttet. Ein Drittel dieser Summe ging an den Bund, zwei Drittel erhielten die Kantone. Allein 320 Millionen Franken flossen an den Kanton Bern – ein Rekordwert, auf den sich die Finanzplaner in den kommenden Jahren nicht werden verlassen können.
Fazit: Unter den aktuellen Bedingungen einen soliden Voranschlag und eine ausgewogene Aufgaben- und Finanzplanung zu machen, dürfte Regierung und Parlament noch schwerer fallen als bisher schon.