Wird es jemals wieder IC-Halte geben?
31.07.2020 Frutigen, Wirtschaft, PolitikDer direkte internationale Bahnanschluss des Kandertals war wichtig für den Tourismus. Seit der NEAT-Eröffnung wird die Region allerdings nur noch vom «Lötschberger» bedient. Könnte sich das mit dem geplanten Tunnelausbau wieder ändern – und muss es das ...
Der direkte internationale Bahnanschluss des Kandertals war wichtig für den Tourismus. Seit der NEAT-Eröffnung wird die Region allerdings nur noch vom «Lötschberger» bedient. Könnte sich das mit dem geplanten Tunnelausbau wieder ändern – und muss es das überhaupt?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) geht in die nächste Runde. Nach der finanz- und regionalpolitischen Diskussion des Bahnausbauschrittes 2035 wird es wieder handfest: Die BLS AG legt das Projekt «Teilausbau Lötschbergbasistunnel» öffentlich auf. Am Dienstag, 11. August, findet dazu ein Infoanlass in Frutigen statt. Vorgesehen ist beim aktuellen Projekt, die vorhandene, aber leere zweite Tunnelröhre zwischen Ferden und Mitholz (14 Kilometer) nutzbar zu machen sowie das zweite Gleis im bestehenden Engstligentunnel zwischen Wengi-Ey und Bahnhof Frutigen einzubauen. Damit wird die tägliche Kapazität der international und national wichtigen Basisstrecke gesteigert: Heute fahren täglich rund 50 Personen- und bis zu 60 Güterzüge durch den Tunnel. Künftig könnten es total gegen 250 Züge sein, alle Güterzüge würden durch den Basistunnel geführt, und der Halbstundentakt würde Realität.
Verschiedene Ansichten zum Bedarf
Da die Streckenkapazität für immerhin 930 Millionen Franken vergrössert wird, lohnt sich die Frage, ob auch die von Beginn weg verlangten IC-Halte in Frutigen wieder ein Thema werden. Seit 2014 ist es um dieses Thema ziemlich ruhig geworden. Von Seiten des Tourismus ist der Wunsch nach internationaler Anbindung da, wie TALK-Direktor Urs Pfenninger erklärt. Das erfordere dann aber auch die nötigen Bus-Anschlussverbindungen, um diese Ausgangslage touristisch nutzen zu können, ruft er in Erinnerung.
Die Gemeinde Frutigen hat in einer Stellungnahme zum Siedlungs- / Verkehrskonzept im April dieses Jahres die langfristige Forderung nach einem IC-Halt bekräftigt. Auf Anfrage relativiert Gemeinderatspräsident Hans Schmid diese Forderung: Man wolle keinesfalls den mit dem Teilausbau vorgesehenen Halbstundentakt von und nach Bern gefährden. «Natürlich würde aus Sicht Frutigens ein internationaler Halt geschätzt. Aber dieser darf keine Verschlechterung der regionalen Anbindung für uns oder die anderen Gemeinden im Tal zur Folge haben.» Der «Lötschberger» sei etabliert, auch wenn vor allem morgens und abends für Pendler schnelle Fernzüge durchaus ihren Wert hätten. Die Meinungen seien in Bezug auf den Bedarf aber geteilt. Schmid bestätigt, dass es heute kaum mehr ultimative Forderungen nach IC-Halten gebe.
Beim Bundesamt winkt man ab
Die BLS als Bauherrin des Basistunnels und Betreiberin der Berg- und Basisstrecke nimmt zu diesem Thema keine Stellung. Das Bahnunternehmen verweist an das Bundesamt für Verkehr (BAV), das für die Planung und Festlegung der Halte zuständig sei. Dort ist die Meinung eindeutig: «Ein Halt von Intercity-Zügen in Frutigen ist derzeit nicht in der Fernverkehrskonzession enthalten und auch in Zukunft nicht vorgesehen.» Für das Kandertal bedeutend sei die Anbindung mit dem Regioexpress Lötschberger. Diese Anbindung habe sich bestens bewährt, sagt Mediensprecher Michael Müller. Darauf wolle man sich konzentrieren: «Mit dem Angebot zum Ausbauschritt 2035 soll der ‹Lötschberger› künftig im Halbstundentakt verkehren. Das bringt nicht nur Frutigen eine noch bessere Anbindung ans schweizerische Bahnnetz, sondern der ganzen Tourismusregion Kandertal / Kiental / Adelboden schnellere Verbindungen und bessere Anschlüsse.»
Ein Tiefbahnhof Frutigen?
Immer mal wieder taucht auch die Frage auf, ob es denn nicht möglich wäre, aus dem zweispurigen Engstligentunnel, der von Wengi-Ey unter dem Bahnhof Frutigen hindurch direkt in den Basistunnel führt, quasi einen «Tiefbahnhof» für den IC zu machen. Das wäre praktisch, und so ganz von der Hand zu weisen ist die Idee nicht. Die Medienstelle der BLS winkt aber ab. Baulich sei dafür nichts vorbereitet, und es würde eine grössere Baustelle geben, um unter dem heutigen Bahnhof Frutigen Perrons nachträglich zu realisieren. Zudem würde der Verkehrsfluss auf der eng getakteten Basisstrecke durch diese Stopps sicher gebremst. Es scheint, als wäre das auch keine realistische Lösung.
Vorteile des Vollausbaus
Bleibt als Upgrade für die Region noch der Vollausbau, der ab Frutigen die Bergstrecke komplett von den Güterzügen entlasten würde. Parallel zur Planung der Baustelle und des Ablaufes – der Teilausbau des Tunnels ist zwischen 2022 und 2028 vorgesehen – wird diese Maximalvariante geplant. Dazu müsste die fehlende zweite Röhre zwischen Mitholz und Frutigen gebohrt respektive gesprengt und ausgerüstet werden. Sieben Kilometer wären das noch, die ganze Tunnellänge von Frutigen bis Raron beträgt 34,7 Kilometer. Dazu hat die BLS vom Bundesamt für Verkehr einen Planungsauftrag erhalten. Bis 2022 sollen die Grundlagen erarbeitet werden, um dem Parlament vorgelegt zu werden.
Sollten die Politiker Ja dazu sagen, könnte unter anderem die achtmonatige Totalsperrung des Basistunnels für den Einbau einer Weiche zwischen den beiden Röhren verhindert werden. Dafür setzen sich vor allem die Walliser ein, die eine Vollsperrung als absolut untragbar bezeichnen. Die Bauzeit würde sich dann zwar verlängern und die Kosten würden auf 1,34 Milliarden Franken steigen. Allerdings hätte man anschliessend weitgehend den Zustand des Bahnsystems, wie er Anfang der 1990er-Jahre bei der grundlegenden alpenquerenden Verkehrsplanung gedacht war.
Der Infoanlass findet am 11. August um 19 Uhr in der Sporthalle Widi (Frutigen) statt. Anmeldung bis am 4. August an alptransit@bls.ch