«Die Chemie ist entscheidend»
04.09.2020 Frutigen, Gesellschaft, PolitikBERUFSPORTÄT Auf seine Meinung setzt Viola Amherd, wenns um die Armee geht: Der gebürtige Frutiger Melchior Stoller gehört als militärischer Berater zum engsten Kreis der Bundesrätin, wenn personelle oder strategische Entscheide gefällt werden müssen.
HANS RUDOLF ...
BERUFSPORTÄT Auf seine Meinung setzt Viola Amherd, wenns um die Armee geht: Der gebürtige Frutiger Melchior Stoller gehört als militärischer Berater zum engsten Kreis der Bundesrätin, wenn personelle oder strategische Entscheide gefällt werden müssen.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Seinen Job gibt es nur einmal in der Schweiz. Sein Arbeitsplatz ist im Bundeshaus Ost, wo das Verteidigungsdepartement unter der Führung von Bundesrätin Viola Amherd sitzt. Der gebürtige Frutiger Melchior Stoller hat «einen Superjob», wie er selbst sagt: Er ist militärischer Berater der VBS-Vorsteherin. In dieser Rolle bewegt er sich zwischen Armee, Verwaltung und Politik, sorgt für Kontakte und den Informationsfluss. Ab und zu muss er auch ungewohnte Fragen seiner Chefin beantworten: «Warum macht ihr das so?» Das habe normalerweise genauere Abklärungen zur Folge, und nicht immer werde die Antwort einfach akzeptiert. Manchmal führe dies zu weiteren Fragen und allenfalls Anpassungen im eher starren System Armee.
Der Weg zurück wäre schwierig
Viola Amherd in allen Armeeangelegenheiten beraten und begleiten: So könnte man Stollers Funktion grob zusammenfassen. Übernommen hat der 59-jährige Divisionär diese Aufgabe unter Bundesrat Guy Parmelin. Er habe sich «riesig gefreut», dass die Chemie auch zwischen Amherd und ihm schon beim ersten Treffen nach ihrem Amtsantritt im VBS gestimmt habe. «Das ist das Wichtigste. Zudem sind Offenheit, Ehrlichkeit, Fachkompetenz und vernetztes Denken gefragt – und natürlich die Akzeptanz meiner Person in der Armee», so Stoller. Schliesslich habe er es fast tagtäglich mit dem Chef der Armee, der Armeeführung, dem Generalsekretariat und verschiedenen Parlamentariern aller Parteifarben zu tun. Über 30 Jahre war Stoller als Kommandant und in Führungsfunktionen tätig und damit entsprechend sichtbar. Nun agiert er im Hintergrund. Der Wechsel von der Armee in das Departement war eine Art Zäsur, der Weg zurück wäre schwierig, gibt er zu.
Ein möglicher Armeechef?
Aufgewachsen ist Melchior Stoller in Reinisch, Frutigen. «In einfachen Verhältnissen», wie er sagt. Meist ist er zivil unterwegs. Die Tatsache, dass er es durch alle militärischen Funktionen zum Divisionär und Bundesratsberater geschafft hat, zeige einfach, was alles in der Schweiz möglich sei, wenn man wolle. Als im letzten Jahr ein neuer Chef der Armee (CdA) gesucht wurde, tauchte auf der Kandidatenliste der Medien auch Melchior Stoller auf. Er lacht: «Ich war selbst überrascht, aber auch geschmeichelt.» Ernsthaft in Betracht gezogen habe er diese Stelle aber nie. Er habe sich 2018 zum Wechsel ins Generalsekretariat VBS entschieden, damit sei der CdA-Posten für ihn keine Option mehr gewesen. Im Gegenteil: Stoller war der einzige Militärvertreter in der Findungskommission, die schliesslich Thomas Süssli als Armeechef vorgeschlagen hat.
Heute kopiert er seine Akten selbst
Eine normale Arbeitswoche gibt es kaum. Am einfachsten ist es, an Beispielen zu zeigen, warum Stoller von einem «Superjob» spricht: Was auf den ersten Blick nach einem Bürojob im Bundeshaus tönt, umfasst auch Truppenbesuche im Auftrag von oder mit der Bundesrätin. Bei Ministertreffen auf internationaler Ebene ist er als Amherds «General» dabei, genauso wie die ausländischen Minister ihre Militärvertreter mitbringen. Überall sind sein Wissen und seine Meinung zu Armeebelangen gefragt, sind Antworten zu politischen Fragestellungen gefordert oder die Prüfung von Geschäften aus den anderen VBS-Bereichen oder Departementen. «Kurz gesagt: Ich versuche, für Viola Amherd die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen, damit sie entscheiden kann.» Und er versucht, seine Chefin auch zu schützen: «Es kann sein, dass ich bei Anträgen der Armeespitze auf Stolpersteine hinweise, die auftauchen könnten oder den Finger auf Punkte lege, die einer genaueren Abklärung bedürfen. Ich vertrete ja nicht die Armee, sondern arbeite der Bundesrätin zu.» Die ganze Bandbreite seiner Arbeit zeige sich darin, dass er oft mit strategischen Geschäften zu tun habe, aber heute, im Gegensatz zu früher, seine Akten selbst kopiere oder die Agenda selbst führe.
Corona und Kampfjets
Auf der Traktandenliste der zahlreichen Besprechungen kommt derzeit oft die Kampfflugzeugbeschaffung vor – auch wenn Stoller keine Details kennt, welches Flugzeug denn jetzt die überzeugendsten Leistungen biete. «Wie die Evaluation steht, weiss übrigens auch Viola Amherd nicht.» Er betont, dass das VBS ja keine Pro-Kampagne führe, sondern aufgrund von Fakten informiere, wenn Fragen zu diesem Milliardengeschäft gestellt würden. Vorträge halte er keine.
Daneben sei er die letzten Monate dauernd im Corona-Einsatz gewesen. So war er als Vertreter der Walliser Bundesrätin im Krisenstab des Bundesrats gefordert. Und so wie es aktuell aussieht, wird das noch eine Weile eine Beschäftigung sein: Die Nachfolgeorganisation dieses Krisenstabes, in der Stoller ebenfalls vertreten ist, hat die Arbeit begonnen.
Mitholz: Verantwortung tragen
Einen Bezug zum Frutigland hat Melchior Stoller vor allem noch durch Verwandte und berufliche Bekannte – zum Beispiel zu seinem Weggefährten Faustus Furrer, dem Frutiger Gemeindepräsidenten. Und dann ist da noch das ehemalige Munitionslager Mitholz, das eine Verbindung schafft. «Meine Eltern haben die Explosion Ende 1947 miterlebt und mir davon erzählt.» Zudem hatte Stoller als Brigadekommandant ein Sanitätslogistikbataillon in dem für die Armeeapotheke umgebauten Lager im Einsatz. Dutzende Male sei er während dieser Zeit in der Anlage gewesen. Und auch heute ist sie bei ihm Thema: Das Risiko durch die alte Munition für die Anwohner zu senken, ist Chefsache im VBS. «Es ist richtig, dass man das sehr ernst nimmt und die Verantwortung trägt.»
ZUR PERSON
Melchior Stoller, der militärische Berater der VBS-Chefin Viola Amherd, wurde 1961 in Frutigen geboren. Militärisch machte er im Logistik- und Sanitätsbereich Karriere, führte alle Stufen von der Kompanie über eine Abteilung, ein Regiment bis zu und mit einer Brigade. Zudem war er Kommandant des Lehrverbandes Logistik in Thun, später stellvertretender Kommandant Heer respektive Stellvertreter des Chefs Kommando Operationen, bevor er ins Bundeshaus wechselte. In seinem Lebenslauf sind zahlreiche Ausbildungen im Ausland und Einsätze bei friedenserhaltenden Missionen aufgeführt, beispielsweise Namibia. Stoller wohnt in Kirchlindach, ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. In seiner Freizeit engagiert er sich als Präsident der Stadtschützen Bern für den Schiesssport allgemein.
HSF