Gemeinde erwirkt «Waffenstillstand»
20.11.2020 Kandergrund, Blausee, Mitholz, Wirtschaft, PolitikAm Mittwoch sassen die Beteiligten im Fall Blausee / Steinbruch Mitholz zusammen an einem runden Tisch. Eingeladen dazu hatte die Gemeinde. Deren Präsident ist überzeugt: «Bis jetzt gibt es bei dieser Geschichte bloss Verlierer.» Nun fand man einen ersten gemeinsamen ...
Am Mittwoch sassen die Beteiligten im Fall Blausee / Steinbruch Mitholz zusammen an einem runden Tisch. Eingeladen dazu hatte die Gemeinde. Deren Präsident ist überzeugt: «Bis jetzt gibt es bei dieser Geschichte bloss Verlierer.» Nun fand man einen ersten gemeinsamen Nenner.
JULIAN ZAHND
«Die mediale Präsenz setzt uns allmählich zu», sagt Roman Lanz, Gemeindepräsident von Kandergrund. Einmal mehr steht der kleine Ort in den nationalen Schlagzeilen – und einmal mehr im negativen Sinne. «Wir wollen die Sache so rasch wie möglich hinter uns bringen.»
«Die Sache» – das sind zwei Millionen verendete Forellen im Blausee, eine bislang fehlende Erklärung – und eine Vermutung: Illegal abgelagertes giftiges Aushubmaterial im Steinbruch Mitholz soll das Grundwasser verschmutzt und zum Tod der Fische geführt haben. Bisher haben sich die verschiedenen Parteien jeweils auf eigene, sich widersprechende Untersuchungen gestützt, die Situation schien verfahren. Die Gemeinde lud deshalb alle Involvierten zu einem runden Tisch, und die Liste der Teilnehmer ist eindrücklich: Anwesend waren die Zuständigen der Firmen BLS AG, der SHB Steinbruch + Hartschotterwerk Blausee-Mitholz AG, der Geotest AG, der Marti AG und der Blausee AG. Ebenfalls vertreten waren der Geologe Hans Rudolf Keusen als Sachverständiger der Blausee AG sowie Vertreterinnen und Vertreter des VBS, des kantonalen Amts für Wasser, des Regierungsstatthalteramts und der Gemeinden Kandergrund und Kandersteg. «Wir haben den Rahmen von 15 Personen voll ausgereizt und mussten manche Personen sogar per Video zuschalten», sagt Lanz nicht ganz ohne Stolz. Einzig das Bundesamt für Verkehr habe sich entschuldigen lassen.
Die Suche nach dem unabhängigen Fachbüro
Die anfangs angespannte Stimmung habe sich im Laufe der Sitzung etwas gelöst, sagt Lanz, als Schiedsrichterin habe die Gemeinde kaum auftreten müssen. Vor allem habe man am Schluss eine Einigung erzielt: Man will bei einer unabhängigen Firma ein umfassendes hydrogeologisches Gutachten in Auftrag geben, das von allen akzeptiert wird. «Bei so vielen Beteiligten liegt es nahe, dass wir uns ausserhalb des Kantons auf die Suche machen müssen», meint Lanz.
Bereits in einem Monat soll der Auftrag erteilt sein. «Bodenproben können sicher rasch gemacht werden», so Lanz. Die Auswertung werde aber wohl Wochen oder gar Monate in Anspruch nehmen. «Es wäre wohl ein Trugschluss anzunehmen, dass wir bereits im Februar verlässliche Resultate haben. Doch die Dauer lohnt sich.» Geplant ist nun ein grossflächiges «Röntgen» des Bodens, das detaillierte Erkenntnisse über die Grundwasserströme liefert. Gemäss Experten liessen sich dadurch nicht nur allfällige Schwermetalle im Untergrund nachweisen, sondern auch ein möglicher Zusammenhang mit dem Fischsterben klären. Zudem sollen die Untersuchungen nicht bloss die Vorkommnisse beim Steinbruch ausleuchten, sondern auch wegweisend sein für die künftigen Projekte im Basistunnel und im Munitionsstollen.
Auch die Staatsanwaltschaft wartet nun auf Ergebnisse
Das Vorgehen sei mit dem laufenden Strafverfahren abgestimmt, betont Lanz, die Justiz werde durch den runden Tisch nicht behindert – im Gegenteil: «Allgemein akzeptierte Ergebnisse dürften auch für die Staatsanwaltschaft von Interesse sein.» Wie die «Berner Zeitung» gestern vermeldete, läuft das Strafverfahren derzeit auf Hochtouren. So seien bei der Kiesgrube am letzten Freitag mehrere Polizeitautos vorgefahren für eine Hausdurchsuchung. Zwecks Vermessung des Geländes wurden zudem Drohnen eingesetzt.
Auch die Politik ist mittlerweile mit dem Thema beschäftigt. Nächste Woche soll der Grosse Rat entscheiden, ob eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt wird. Bei einem Ja wäre der Gemeinde Kandergrund zusätzlicher Medienrummel wohl gewiss: Die bislang einzige kantonale PUK liegt bereits 16 Jahre zurück.