Lunch am Pistenrand statt Menü in der Beiz
31.12.2020 Adelboden, Wirtschaft, TourismusAn den Festtagen tummelten sich zwar viele Wintersportler auf den Pisten, doch weniger als normal. Die Gäste nehmen die Situation mit den geschlossenen Restaurants gelassen und schätzen das Take-away-Angebot.
YVONNE BALDININI
Zwei Skifahrer beissen am Pistenrand im ...
An den Festtagen tummelten sich zwar viele Wintersportler auf den Pisten, doch weniger als normal. Die Gäste nehmen die Situation mit den geschlossenen Restaurants gelassen und schätzen das Take-away-Angebot.
YVONNE BALDININI
Zwei Skifahrer beissen am Pistenrand im Hahnenmoos in ihre Currywurst, auf einem Plastiksack sitzend. «Es ist zwar nicht so gemütlich, aber wir hatten uns darauf eingestellt», meint einer der beiden. Man lerne schätzen, was man habe, und schliesslich sei man früher auch nichts anderes gewohnt gewesen, so die Basler. In der Schlange an den Take-away-Ausgaben stehen die Hungrigen diszipliniert an, länger als acht Minuten muss sich niemand gedulden. Ein Trio aus Winterthur hat sich auf Sillerenbühl auf zwei seiner Snowboards niedergelassen. «Die Chicken-Nuggets sind gut, es ging schnell», lobt der junge Mann. Sein Vater fügt an: «Wir kommen ja nicht wegen des Essens, sondern fürs Snöben und Skifahren.» Viele tragen ihr Sandwich von zu Hause im Rucksack mit. Ein Freiburger Ehepaar hat sich gar vor dem Ausflug verpflegt und auf der Piste möglichst wenig getrunken, um keine Toiletten aufsuchen zu müssen. Als sich Nebel breitmacht, bemerkt eine junge Frau: «Ich friere und wäre froh, mich mit einer heissen Suppe drinnen aufwärmen zu können.» Aber Hauptsache Ski fahren, sagen die Schneesportler unisono.
Strohballen bleiben verboten
Toni Hersche vom Restaurant Sillerenbühl tun die am Boden sitzenden Gäste leid. «Ich konnte kaum zuschauen, wie es ihnen am Föhnsturm-Sonntag den Kaffee aus den Bechern wehte», kommentiert er. Gerne hätte er Sitzgelegenheiten in Form von Heuballen hingestellt, natürlich mit coronakonformen Abständen und nicht näher als 50 Meter am Restaurant. Doch Polizisten tauchten auf und setzten dem Vorhaben ein Ende. Ständig fragen ihn Wintersportler: «Wo finden wir einen Picknickplatz?» Ein Dorn im Auge ist ihm auch der unvermeidbare Abfall. Eine Portion Pommes frites und Chicken-Nuggets belaste die Umwelt mit zwei Kartons plus einem Sack.
Immerhin: Das Take-away läuft gut, am 26. Dezember hat das Sillerenbühl-Team allein hundert Hamburger in die Lunchsäckli verpackt. Der Umsatz beträgt gemäss Toni Hersche nicht viel weniger als mit der 50-Gäste-Beschränkung. Bereits mit dieser verzeichnete er einen Verlust von 80 bis 90 Prozent der üblichen Einnahmen in dieser Jahreszeit. «An die Finanzen denke ich längst nicht mehr, ich will bloss noch den Gästen etwas Gutes tun», lässt der Restaurationsleiter ernüchtert wissen.
«Es zerreisst uns das Herz»
Im Berghotel Hahnenmoos hat Geschäftsführer Matthias Ellinger bis zu vier Take-away-Lizenzen eingeholt. Er macht aber nur von zwei Stationen Gebrauch, da sich ein Bruchteil der normalen Menschenmenge im Gebiet aufhält. «Ich denke, es trübt die Skifreude, wenn die Besucher nicht verweilen dürfen. Wir wollen deshalb wenigstens einen kleinen Zufluchtsort bieten.» Wirtschaftlich seien die Take-away-Einnahmen ein Tropfen auf den heissen Stein. Kosten kann der neue Hahnenmoos-Chef nur mit Kurzarbeit einsparen. Weil die Mitarbeiter sowieso im Berghotel logieren, setzt er sie an zwei bis drei Tagen pro Woche für einige Stunden ein. Zwei Angestellte sorgen auf dem Grundstück für Ordnung. Am ersten Tag der verschärften Massnahmen bemerkte Ellinger zwei Polizisten, welche die Abläufe begutachteten. Die Terrasse ist abgesperrt, zusätzlich stellt das Berghotel einen Toilettenwagen zur Verfügung. «Es ist ein grosses Ärgernis, ja, eine Katastrophe für uns Gastgeber. Wir haben mit der Terrasse fast 1000 Plätze und kein einziger ist besetzt. Es zerreisst uns das Herz, die Menschen am Pistenrand sitzen zu sehen.»
Weniger Wintersportler auf der Piste
Gemäss Stefanie Inniger, Mediensprecherin der Skiregion Adelboden-Lenk, lagen die Festtage bisher unter den Erwartungen. Am schönen 26. Dezember – normalerweise ein Rekordtag – bewegten sich nur 50 bis 60 Prozent der üblichen Gästemenge im Mittelgebiet der Skiregion Adelboden-Lenk. «Dadurch konnten wir einen ruhigen und coronagerecht geordneten Betrieb anbieten. Positiv daran ist, dass die Unfallzahlen, insbesondere die Spitaleinweisungen, sehr tief sind», erläutert sie. Beschilderungen wie «Abstand halten» oder «Hier gilt Maskenpflicht» und die Anpassungen des Besucherflusses durch Absperrbänder vor und nach den Drehkreuzen sowie bei den Verkaufsstellen würden von den Gästen gut akzeptiert. «Sie zeigen Verständnis, es ist ihnen bewusst, dass uns der Kanton Bern grosses Vertrauen ausgesprochen hat.» Einen Trend hin zu 4-Stunden- oder Punkte- anstatt Tageskarten aufgrund der geschlossenen Beizen stellten die Verantwortlichen bisher nicht fest.
YB