Firmen helfen einander
09.03.2021 Region, WirtschaftNetzwerke sind im Geschäftsleben unabdingbar. Diese kann jeder Unternehmer für sich selbst aufbauen – oder er greift auf organisierte Strukturen zurück. Wie aber läuft das Networking in der Corona-Krise?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
In einem deutschen Magazin für ...
Netzwerke sind im Geschäftsleben unabdingbar. Diese kann jeder Unternehmer für sich selbst aufbauen – oder er greift auf organisierte Strukturen zurück. Wie aber läuft das Networking in der Corona-Krise?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
In einem deutschen Magazin für digitale Unternehmer stand kürzlich, dass das Netzwerken bei Häppchen und Weisswein ineffizient sei. Wenn man wirklich weiterkommen wolle, müsse man gezielt Personen auswählen und kontaktieren. In Zeiten von Corona ohne Steh-Apéros und Visitenkarten sei die direkte Kontaktaufnahme per E-Mail oder Telefon weniger ein Problem, auch wenn es anfangs vielleicht Überwindung koste. Aber so finde man schneller Geschäftspartner, die zur eigenen Firma passen und die Kundenkartei erweitern würden, heisst es in dem Beitrag.
Frühmorgendliches Marketing
Wer sich das nicht zutraut, kann beispielsweise beim Business Network International (BNI) mitmachen. Diese in den USA entstandene und weltweit tätige Organisation hat in zahlreichen Ländern sogenannte Chapter, also regionale Gruppen, deren Mitglieder sich gegenseitig Kunden vermitteln. Empfehlungsmarketing heisst diese Form des Netzwerks, in dem die Mitgliedschaft Geld kostet und eine wöchentliche Offenlegung der Kontakt- und Vermittlungsversuche erfordert. Wer also keine Zeit investiert und nicht aktiv mitmacht, kann auch ausgeschlossen werden. Die Mitglieder treffen sich jeweils in ihrem Stammrestaurant zum Frühstück, dann werden nach akkuratem Zeitplan Geschäftsempfehlungen ausgetauscht. Jedes Mitglied kann in jeweils 60 Sekunden sein Unternehmen oder ein spezifisches Angebot vorstellen. Auch Geschäftserfolge werden so gefeiert.
Kunden sind die Währung
In der Schweiz ist das BNI seit etwa 15 Jahren aktiv, eines der ersten Unternehmerteams war «Blümlisalp». Wie in jeder Gruppe ist dort unter den gut 50 Mitgliedern jede Branche nur einmal vertreten – man will einander nicht konkurrieren. Von Anfang an dabei war Erich von Känel vom gleichnamigen Frutiger Autohaus. Weil die Treffen derzeit nicht physisch stattfinden dürfen, werden sie per Videokonferenz organisiert, wie er sagt. «Es hat bei uns durch die Corona-Massnahmen einige Firmen ganz bös erwischt. Wir überlegen immer wieder, wie man diesen helfen kann. Ein Kleinunternehmer aus der stillgelegten Eventbranche hat beispielsweise für andere Firmen Lieferdienste übernommen.» Geld würde aber innerhalb des BNI nicht fliessen, Kunden seien quasi die Währung. Von Känels Firma hat vom letztjährigen Umsatz von 55 Millionen Franken knapp über 20 Prozent in diesem Umfeld gemacht. Er selbst habe etwa 7 Millionen Franken an Aufträgen so vergeben. «Auch oder gerade in Krisenzeiten hat sich dieses Netzwerk bewährt», ist er überzeugt.
Viele müssen nun selbst aktiv werden
Mitten in der Pandemie wurde im Herbst das 86. und neuste Team «Frutigland» gegründet. Die Ernährungsexpertin und erste Präsidentin Karin Allenbach ist erfreut, dass bereits über 20 Mitglieder dabei sind. «Es war erfrischend, mitzuerleben, wie viele lokale Unternehmerinnen und Unternehmer von Beginn weg Interesse an einer Mitgliedschaft hatten und bereit waren, beim Aufbau zu helfen.» Aktiv sei die Gruppe seit Anfang des Jahres, und schon jetzt sei ein finanzieller Erfolg sichtbar. Mindestens so wichtig sei das gegenseitige Vertrauen und dass man gerade in der jetzigen Zeit gemeinsam etwas bewirken könne.
Auch ihr Bruder, der Solarholzbauer Marc Allenbach aus Wengi, ist aktiver Netzwerker. Er gehört seit zehn Jahren der Gruppe «Niesen» an. «Es ist egal, ob BNI oder eine andere Gruppe: Wichtig ist, dass man geschäftlich zusammenarbeitet.» Der Holzbaufachmann sieht es durchaus als Vorteil, dass man «nicht um den heissen Brei herumredet». Allen sei klar, dass es um Aufträge und wirtschaftlichen Erfolg gehe. Während der Pandemie hätten einige Mitglieder lernen müssen, aus dem Büro oder Laden hinauszugehen und selbst aktiver zu werden, wenn die Kunden nicht kommen konnten. «Das war oft ungewohnt. Wir haben diesen mit unserer Erfahrung helfen und Tipps geben können, wie man das macht.» Die neuen Wege würden nachhaltig Wirkung zeigen, ist er sicher.
Es gibt auch Kritik
Es gibt aber auch Stimmen, die das BNI als sektenähnlich bezeichnen, da dauernd Druck herrscht, anderen Unternehmen potenzielle Kunden zu vermitteln. Marc Allenbach und Erich von Känel bestätigen, dass die Aussensicht durchaus so sein könnte. «Das ist im Gründungsland USA noch viel ausgeprägter. Hier sind wir nicht daran gewöhnt, auch einmal über unsere Erfolge zu sprechen», gibt Allenbach zu bedenken. Und der Autohändler ergänzt: «Wem diese Form nicht passt, soll nicht mitmachen. Aber wir sind stolz, dass wir auch dank der raschen Digitalisierung unserer Treffen eigentlich als einziges solches Netzwerk in der Krise nicht geschlafen, sondern konsequent weitergemacht haben.» So habe auch die nötige Aufrüstung der Mitglieder mit Digitaltechnik Aufträge gebracht und einige Firmen wirklich «in eine neue Zeit katapultiert».
Neue Arbeit ins Frutigland holen
«Man muss mit Überzeugung dabei sein», bestätigt Erich von Känel. Nur dann könne man Netzwerke nutzen und immer im Hinterkopf haben, was dem eigenen Unternehmen diene. Einhellig wird der hohe Stellenwert von Mund-zu-Mund-Werbung betont. Deshalb werde nicht nur lokal und regional vernetzt, sondern auch in anderen Landesgegenden in weiteren Gruppen. Gerade im doch begrenzten wirtschaftlichen Raum des Frutiglands sei es wichtig, aus dem Unterland Arbeit und Kunden zu akquirieren, dort sei definitiv noch viel Potenzial vorhanden.