Schwarz fordert fairere Massstäbe
19.03.2021 Region, PolitikKANTON Erfolg für Grossrat Jakob Schwarz (EDU): Die Bewertungskriterien für Liegenschaften müssen überarbeitet werden. Die aktuellen Neubewertungen sind davon allerdings nicht tangiert – sie bleiben vorerst gültig.
BIANCA HÜSING
Dass die amtlichen ...
KANTON Erfolg für Grossrat Jakob Schwarz (EDU): Die Bewertungskriterien für Liegenschaften müssen überarbeitet werden. Die aktuellen Neubewertungen sind davon allerdings nicht tangiert – sie bleiben vorerst gültig.
BIANCA HÜSING
Dass die amtlichen Neubewertungen einiges Erregungspotenzial bergen, zeigte die Grossratsdebatte vom vergangenen Dienstag. Gleich drei Vorstösse waren zu dem Thema eingegangen, und alle schlugen in die gleiche Kerbe: Die Behörden hätten das ursprüngliche Ziel verfehlt, Steuergerechtigkeit herzustellen. Besonders in Saanen habe die Neubewertung zu einem massiven Anstieg der amtlichen Werte geführt – und zwar weit über den angestrebten Richtwert von 70 Prozent hinaus. In manchen Fällen hätten sich die Liegenschaftssteuern praktisch über Nacht verdoppelt. Die insgesamt 9000 eingegangenen Einsprachen beweisen aus Sicht der Motionäre, dass bei der amtlichen Neubewertung einiges schief gelaufen sein muss.
Einer dieser Motionäre war der EDU-Grossrat Jakob Schwarz. Nach seiner Einschätzung scheitert es schon an den Kriterien, die für die Bewertungen zugrunde gelegt wurden. «Nach Inkrafttreten des Zweitwohnungsgesetztes haben sich innerhalb einer Gemeinde wie Adelboden zwei verschiedene Wohnungsmärkte entwickelt», so Schwarz. Eine Zweitwohnung sei durch die politisch hergestellte Verknappung des Angebots deutlich wertvoller geworden als eine Erstwohnung. Diese und andere Unterschiede hätte man bei der amtlichen Liegenschaftsbewertung fairerweise berücksichtigen müssen.
Der falsch verstandene Vorstoss
Mit seinem Vorstoss stiftete der Adelbodner jedoch zunächst Verwirrung. Die übrigen Parlamentarier und auch der Regierungsrat waren davon ausgegangen, dass er eine rückwirkende Anpassung der Bewertungskriterien fordert. Sowohl die Formulierung seiner Motion als auch die Tatsache, dass er sie als dringlich eingereicht hatte, legten diese Interpretation nahe. Doch im Plenarsaal stellte Schwarz klar: «Mir ist natürlich bewusst, dass wir die Spielregeln nicht im laufenden Verfahren ändern können. Deshalb bezieht sich mein Vorstoss auf künftige Neubewertungen.»
Diese Aussage erwies sich für den weiteren Verlauf der Debatte als «Gamechanger». Hätte Schwarz nämlich eine rückwirkende Korrektur gefordert, wäre sein Vorstoss wohl kaum durchgekommen. Nahezu alle Fraktionssprecher – von der SP bis zur SVP – betonten, ihre Parteien würden der Motion nur zustimmen, wenn sie sich auf künftige Neubewertungen beziehe. Gesagt, getan: Sämtliche Punkte wurden letztlich von einer deutlichen Mehrheit der Parlamentarier angenommen. Die grösste Zustimmung fand mit 134 zu 10 Stimmen Ziffer 2 der Motion: «Die unterschiedlichen Marktgegebenheiten von Erstwohnungen, Zweitwohnungen und Wohnungen mit Nutzungsbeschränkungen sind bei der Festlegung von Landrichtwerten und Mietwertkategorien zu berücksichtigen.»
Selbstkritik für die lange Verzögerung
Wenn bei der Neubewertung tatsächlich Unrecht geschehen sein sollte, muss dieses behoben werden – darin waren sich die Grossräte weitgehend einig. In diesem Sinne stimmten sie auch Teilen der übrigen Motionen zu – etwa der Forderung Thomas Knuttis (SVP), bei den Einspracheverfahren die individuellen Umstände und Gegebenheiten zu berücksichtigen. Einige Parlamentarier bezweifelten jedoch, dass hinter dem Unmut der Liegenschaftsbesitzer ein Fehler im Bewertungssystem stecken soll. Wenn man über 20 Jahre keine Neubewertungen mehr vornehme, so die SP, könnten sich die Werte in dieser Zeit eben stark verändern. Im Umkehrschluss bedeute das: Wer jetzt über eine Verdopplung seines Immobilienwerts klage, habe lange von zu tiefen Steuern profitiert. Bei der EVP und den Grünen schwang auch ein wenig Selbstkritik mit: Der Grosse Rat habe die amtliche Neubewertung viel zu lange hinausgezögert.
Regierungsrätin Beatrice Simon relativierte indes die Summe der Einsprachen. Beim letzten Neubewertungsverfahren im Jahre 1999 habe es 25 000 gegeben – also weit mehr als heute. Trotzdem habe sie ein gewisses Verständnis für den Unmut bei diesem «sehr emotionalen Thema». Für die nächste Neubewertung würde man die Kriterien ohnehin überarbeiten, versprach die Finanzdirektorin. Hätte der Regierungsrat gewusst, dass Jakob Schwarz keine rückwirkende Neubewertung verlangt, hätte er die Motion wohl zur Annahme als Postulat empfohlen.
Dass sein Vorstoss nun so deutlich angenommen wurde – und zwar nicht als Postulat – freut den Adelbodner. «Der Grosse Rat hat dem Regierungsrat einen klaren Auftrag gegeben und ich erwarte, dass dieser zeitnah in die Hand genommen wird.» Die Dringlichkeit seiner Motion begründet er im Nachhinein folgendermassen: «Die Leute, die ungerecht behandelt wurden, werden dies eher akzeptieren, wenn sie sehen, dass der politische Wille da ist, rasch eine faire Lösung zu suchen.»