«Wir rechnen mit 2 bis 3 Millionen Franken Verlust»
07.04.2021 Adelboden, Wirtschaft, TourismusEntgegen zahlreicher Prognosen verlief die Skisaison ohne coronabedingte Unterbrüche. Doch wie einträglich war sie? Markus Hostettler, Direktor der Bergbahnen Adelboden AG, nennt erste Zahlen und erklärt, weshalb sein Betrieb künftig verstärkt unter Druck geraten dürfte. Der ...
Entgegen zahlreicher Prognosen verlief die Skisaison ohne coronabedingte Unterbrüche. Doch wie einträglich war sie? Markus Hostettler, Direktor der Bergbahnen Adelboden AG, nennt erste Zahlen und erklärt, weshalb sein Betrieb künftig verstärkt unter Druck geraten dürfte. Der Gästedisziplin bezüglich Corona-Massnahmen stellt er bis auf wenige Ausnahmen ein gutes Zeugnis aus.
«Frutigländer»: Als die Wintersaison im letzten Dezember startete, schaute das Ausland argwöhnisch auf die Schweiz. Viele hielten den Skibetrieb mitten in der Corona-Krise für fahrlässig. Hatten Sie damals erwartet, dass die Saison ohne Unterbrüche zu Ende gehen würde?
Markus Hostettler: Ich hatte es zumindest gehofft. Die Skepsis war damals stark verbreitet. Entsprechend zuversichtlich und selbstsicher mussten wir auftreten, um der allgemeinen Unsicherheit entgegenzuwirken. Mittlerweile konnten wir aber den Beweis erbringen, dass Ski fahren unter den Schutzvorkehrungen ohne grösseres Risiko möglich ist.
Wie lässt sich dieses Risiko messen?
Das Risiko lässt sich meines Wissens nicht wirklich messen. Mit dem vorgegebenen Schutzvorkehrungen wie «Maske tragen» und «Abstand halten» liess sich das Risiko aber minimieren. Im Nachhinein betrachtet dürfen wir mit Freude feststellen, dass uns dies gelungen ist. Bester Beweis ist, dass unter unseren 160 Mitarbeitenden mit täglichem Gästekontakt nur zwei Krankheitsfälle gemeldet wurden.
In den Skigebieten traf man immer wieder auf Personen, welche die Corona-Vorschriften nicht einhielten. Wie beurteilen Sie die Disziplin der Gäste?
Um eine gewisse Kontrolle zu haben, zirkulierten allein im Gebiet Adelboden bis zu zehn sogenannte «Rangers», welche die Leute auf die geltenden Regeln aufmerksam machten. Viele missachteten die geltenden Massnahmen wohl nicht bewusst. Meistens reichte daher ein Fingerzeig, damit die betroffenen Gäste die Maske zurechtrückten. Im Laufe der Saison brachten wir in den Gondeln zudem Aufkleber an mit dem Hinweis, dass die Fenster geöffnet bleiben müssen. Längere Diskussionen mit Massnahmeverweigerern waren äusserst selten. Ich kann mich bloss an einen Gast erinnern, der unser Gebiet schliesslich verliess. Viele Leute waren aber auch dankbar für die Kontrollen.
Anfang März kursierten in den Medien Bilder einer Retroparty beim «Gran Masta Park», auf denen dicht gedrängte Menschentrauben zu sehen sind. Zurzeit wer den die Vorkommnisse von Polizei und Staatsanwaltschaft untersucht. Wie beurteilen Sie den Fall?
Natürlich haben wir an solchen Negativschlagzeilen keine Freude. Allerdings tangierte uns der Fall kaum, denn die Adelbodner Bergbahnen hatten keine Möglichkeit zur Einflussnahme. Die Bar wird von Privaten geführt, die für die Vorkommnisse geradestehen müssen.
Wie lief es in der Gastronomie in finanzieller Hinsicht?
Die Zahlen sind schlecht, der Umsatz sank um rund 70 Prozent. Für uns ist dies besser verkraftbar als für die unabhängige Gastronomie am Berg und im Tal, da dieser Zweig bei uns knapp 15 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht. Dafür können wir keine Härtefallentschädigung geltend machen.
Wie lässt sich dieser Einbruch erklären? Ganz auf Verpflegung verzichten konnten WintersportlerInnen ja nicht.
Die sehr begrenzte Kapazität ist nebst der Tatsache, dass weniger Gäste im Skigebiet waren, ausschlaggebend. Das Restaurant Sillerenbühl etwa bietet im Winter draussen und drinnen insgesamt Platz für 1100 Gäste. Auch mit einem logistisch ausgeklügelten Takeaway-Angebot können Sie nicht annähernd so viele Leute bedienen. Viele Gäste verpflegten sich über Mittag zudem in ihrem Chalet oder Hotel.
Zahlreiche Restaurants in der Zentral- und Ostschweiz durften ihre Terrassen auch während des Lockdowns offen lassen. Das Ansteckungsrisiko sei in diesem kontrollierten Rahmen weitaus geringer als wenn sich die Leute irgendwo am Pistenrand ansammeln würden, argumentierten die dortigen Behörden. Der Kanton Bern fuhr hingegen einen strikten Kurs. Welche Ansicht vertraten Sie in diesem «Terrassenstreit»?
Wir beteiligten uns an dieser Diskussion aus pragmatischen Gründen nicht. Ändern hätten wir die Situation ja ohnehin nicht können, daher konzentrierten wir uns darauf, das Beste daraus zu machen. Wir akzeptierten die Beschlüsse der Regierung als Rahmenbedingung und setzten sie im Sinne der Gäste und der Unternehmung bestmöglich um.
Wie fällt die Saisonbilanz für das Skigebiet insgesamt aus?
Ausländische Gäste machen 30 bis 35 Prozent des Umsatzes aus, dieser Anteil fiel fast komplett weg. Auch der Verkauf des Saisonpasses Top4 lag rund einen Drittel unter jenem vom Vorjahr. Dennoch fingen Schweizer Tagesgäste oder KurzaufenthalterInnen den Rückgang vor allem in der zweiten Saisonhälfte ein Stück weit auf, sodass wir bei der Bahn letzlich mit Einbussen von 20 bis 25 Prozent rechnen. Das sind umgerechnet zwei bis drei Millionen Franken Verlust.
Könnte der Rückgang der Saisonabonnemente nicht auch mit der Preissteigerung zusammenhängen? Immerhin kostete der Top4-Skipass 111 Franken mehr als im Vorjahr.
Davon gehe ich nicht aus. Zum einen entnehmen wir den Verkaufszahlen, dass vor allem ältere Jahrgänge auf das Abonnement verzichteten, während die Zahlen bei den Jungen stabil blieben. Das deutet darauf hin, dass die Pandemie beim Kaufentscheid ausschlaggebend war. Zum anderen erinnere ich die Leute immer wieder daran, dass das Saisonabonnement allein fürs Skigebiet Adelboden-Lenk für Auswärtige früher 750 Franken kostete, also unwesentlich weniger als nun der Top4-Pass. Die Preissteigerung ist daher absolut vertretbar.
Der Top4-Pass wird im nächsten Jahr wieder angeboten. Im letzten Jahr hiess es aber noch, das Kombiticket stehe auf der Kippe. Was gab den Ausschlag für die Fortführung?
Diese Nachricht wurde in den Medien herumgereicht, ist aber falsch. Der Top4-Skipass ist mittlerweile eine feste Grösse in unserem Angebot und wir spielten nie mit dem Gedanken, das Produkt abzusetzen.
Grindelwald hat im Dezember die neue V-Bahn eingeweiht, und auch Mürren plant eine direktere Linie zwischen Stechelberg und Schilthorn. Inwiefern beeinflussen solche Investitionen der Konkurrenz die Einnahmen der Bergbahnen Adelboden AG?
Der Einfluss ist da. Der Verteilschlüssel des Top4-Abonnements bemisst sich an der Anzahl Besucher, gewichtet mit dem Preis einer Tageskarte im betreffenden Gebiet. Adelboden-Lenk hatte in den letzten Jahren einen konstanten Anteil von rund 41 Prozent. Durch die V-Bahn dürfte dieser Wert um einige Prozentpunkte sinken. Ähnlich wird das wohl einmal nach der Inbetriebnahme des Bahnprojektes am Schilthorn sein, welche natürlich wie die V-Bahn von der Projektgrösse nicht mit unserer «Direttissima» vergleichbar ist
Sie geben gleich das Stichwort: In welcher Phase der Realisierung befindet sich das BAAG-Grossprojekt?
Der Bau ist kurzfristig nicht zu erwarten. Wir machen aber kleine Schritte vorwärts, die Entscheide zur genauen Streckenführung, zum Bahntyp und Ähnlichem sind bereits gefällt. Zurzeit liegt die Überbauungsordnung beim Kanton zur Vorprüfung. Zudem sind wir in Verhandlung mit den betroffenen Grundeigentümern.
Was wird da genau verhandelt?
Es geht grundsätzlich um die Sicherung der Überfahrrechte und die finanziellen Entschädigungen. Denkbar ist auch, dass die Bergbahnen Adelboden AG Liegenschaften aufkauft und neue Besitzer sucht, die sich an der Bahn weniger stören.
Um wie viele Grundeigentümer geht es da?
Direkt unter der Linie liegen zwischen 70 bis 75 Liegenschaften. Grossmehrheitlich werden die Bahn und die Linenführung jedoch als zweckmässig erachtet.
Befindet sich die Planung somit nach wie vor auf Kurs?
Ursprünglich wollten wir zwischen 2023 und 2024 mit dem Bau beginnen. Die Millionenverluste durch Corona werfen uns nun aber geschätzt um ein bis zwei Jahre zurück.
Abschliessend nochmals zurück zur Pandemie. Not macht bekanntlich erfinderisch: Gibt es Massnahmen, die sich im Skigebiet auch in normalen Zeiten bewähren könnten?
Die markierten Linien brachten mehr Ordnung im Anstehbereich. Das werden wir womöglich beibehalten. Auch wird der Webshop in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Während der Corona-Saison haben sich dort die Verkäufe verdoppelt und wir werden in diesen Bereich weiter investieren.
INTERVIEW JULIAN ZAHND
Die Bilanz der benachbarten Gebiete
Elsigen-Metsch
Das Skigebiet oberhalb von Frutigen rechnet mit Umsatzeinbussen von rund 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders die Absenz von Schulklassen machte den Betreibern zu schaffen, da es im Gebiet zahlreiche Gruppenunterkünfte gibt.
Was das Einhalten der Schutzmassnahmen angeht, beobachtete Geschäftsführer Christian Zenger im Saisonverlauf grosse Unterschiede. Sobald sich die Gäste nach einigen Tagen an die Regeln gewöhnt hatten, befolgten sie diese sehr pflichtbewusst. Gegen Ende der Saison sei aber ein starker Rückgang der Disziplin festzustellen gewesen.
Gute Erfahrungen machte Zenger mit einigen Anpassungen im Anstehbereich bei der Talstation. Ebenfalls hätten sich die Korridore für die Warteschlangen an den Skiliften bewährt.
Tschentenalp
Bei der Gastronomie verzeichnet Adelbodens Hausberg Einbussen von rund 60 Prozent. Glimpflich kommt hingegen die Bahn davon, die gemäss Geschäftsführer Erwin Oester bloss 5 bis 10 Prozent Mindereinnahmen zu verzeichnen hat.
Die Umsetzung der Schutzkonzepte bezeichnet Oester als sehr anstrengend. Vor allem gegen Saisonende hin hätten die Gäste vermehrt auf die geltenden Regeln aufmerksam gemacht werden müssen.
JUZ
Die meisten Skibetriebe der Region haben die Wintersaison spätestens nach Ostern beendet. Einzige Ausnahme ist die Engstligenalp, wo noch bis am 2. Mai Ski gefahren werden kann. Deren Saisonbilanz folgt zu einem späteren Zeitpunkt.