Protest gegen hohe Strompreise
07.04.2021 Region, WirtschaftFast nirgendwo kostet Energie so viel wie im Kanton Bern. Der höchste Tarif gilt in jenen Orten, die von der BKW versorgt werden. 124 Gemeinden wollen sich nun dagegen wehren – unter ihnen auch Aeschi.
BIANCA HÜSING
Keine Frage: Das Berggebiet ist eine topografisch ...
Fast nirgendwo kostet Energie so viel wie im Kanton Bern. Der höchste Tarif gilt in jenen Orten, die von der BKW versorgt werden. 124 Gemeinden wollen sich nun dagegen wehren – unter ihnen auch Aeschi.
BIANCA HÜSING
Keine Frage: Das Berggebiet ist eine topografisch hochkomplexe Angelegenheit. Hier Infrastruktur zu unterhalten und die weitläufigen Siedlungen auf unterschiedlichen Höhen mit Strom zu versorgen, ist ungleich aufwendiger als in einer dicht besiedelten Stadt wie Bern. In etwa so rechtfertigt sich die BKW denn auch für ihre überdurchschnittlich hohen Tarife. Wie die «Berner Zeitung» Ende Januar in einer schweizweiten Übersicht zeigte, ist der Strom im Kanton Bern besonders teuer – zumindest in jenen Gemeinden, die von der BKW versorgt werden.
Schon innerhalb einer Region wie dem Frutigland gibt es je nach Ortschaft deutliche Unterschiede. Wer etwa in Aeschi, Krattigen, Reichenbach, Frutigen oder Kandergrund lebt, zahlt den BKW-Tarif von 24,8 Rappen pro Kilowattstunde. Günstiger kommen Kandersteger (20,5 Rappen) und Adelbodner (21 Rappen) weg, die mit LWK respektive LWA jeweils über eigene Anbieter verfügen. Was auf den ersten Blick nicht viel zu sein scheint, läppert sich auf lange Sicht. Ein durchschnittlicher 4-Personen-Haushalt in der Schweiz verbraucht pro Jahr rund 4000 Kilowattstunden. In Frutigen kommt man damit auf eine Stromrechnung von 992 Franken, in Kandersteg kostet der gleiche Verbrauch 820 Franken. Noch grösser wird der Unterschied, wenn man über die Kantonsgrenzen hinausblickt. Auf der Bettmer- und der Riederalp im Wallis zahlt man pro Kilowattstunde nur 16 Rappen, das wären 640 Franken im Jahr.
Ein Brief aus Wimmis
Gegen dieses unterschiedliche Preisregime regt sich nun Widerstand. Kurz, nachdem die «BZ» ihre Übersicht veröffentlicht hatte, wandte sich Wimmis mit einem Brief an all jene Gemeinden, in denen der hohe BKW-Tarif gilt. Man wolle sich gemeinsam dafür einsetzen, dass das Unternehmen seinen Strom zum schweizweiten Durchschnittspreis von etwa 20 Rappen pro Kilowattstunde anbiete. «Es ist zwar schön, wenn die BKW jährlich einen mittleren dreistelligen Millionengewinn ausweisen kann. Ein Teil davon geht bekanntlich via Dividenden und Steuern zurück zu Kanton und Gemeinden, aber eben nur ein Teil», heisst es in dem Schreiben. Stossend sei, dass diese Gewinne wohl auch durch die hohen Strompreise zustande kämen – und damit zulasten der Verbraucher. Das Argument der schwierigen Topografie und des komplexen Netzes lassen die Briefautoren nicht gelten: In fast allen Berg- und Randregionen ausserhalb des Kantons Bern seien die Tarife schliesslich massiv niedriger. Da die BKW wohl nicht von sich aus einlenken werde, müsse man auf politischem Wege Druck erzeugen.
Hohe Gehälter, keine Konkurrenz?
Von den 160 angeschriebenen Gemeinden unterstützen 124 das Anliegen aus Wimmis – darunter auch Aeschi, Krattigen, Frutigen und Kandergrund. Aeschis Gemeindeschreiber Lukas Berger begründet, warum seine Gemeinde die Zustimmungserklärung unterschrieben hat: «Wir sind mit der Politik der BKW nicht ganz zufrieden. Die Gehälter der Führungsebene steigen kontinuierlich, während die Kunden überdurchschnittliche Tarife zahlen und private Anbieter konkurrenziert werden – und das alles bei einem Unternehmen, das zu grossen Anteilen dem Kanton gehört.» Der ländliche Raum dürfe nicht für seine geografischen Strukturen benachteiligt werden, findet Berger.
Mit ihrer Forderung nach tieferen Tarifen wollen sich die Gemeinden vornehmlich an die Kantonspolitik wenden – und dort könnten sie durchaus Sympathien ernten. In der jüngeren Vergangenheit zeigte sich der Grosse Rat zuletzt kritisch gegenüber der BKW, wenn auch in Bezug auf ein anderes Thema. Nachdem das Jahressalär der Geschäftsführerin Suzanne Thoma 2018 bei mehr als 2 Millionen Franken gelegen hatte, wurden mehrere Vorstösse gegen «masslose» Managergehälter angenommen. Der Regierungsrat sieht keinen Handlungsbedarf in dieser Frage, fordert die staatsnahen Betriebe jedoch allgemein zu einer «zurückhaltenden» Lohnpolitik auf.
Ob der Regierungsrat Einfluss auf die komplexe Preisgestaltung im Energiesektor nehmen will, ist vor diesem Hintergrund fraglich. Die BKW selbst jedenfalls sieht Kanton und Bund in der Pflicht, veränderte Bedingungen auf dem Strommarkt herzustellen.
Preispolitik der LWA
In den Gemeinden Kandersteg und Adelboden, die über eigene Anbieter verfügen, sind die Tarife günstiger als bei der BKW. Pascal von Allmen, Geschäftsführer der Licht- und Wasserwerk Adelboden AG, erklärt, wie die Preise der «Gälben» zustande kommen: «Wir berechnen jährlich – wie andere Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) auch – die Netzpreise und die Energiepreise in der Grundversorgung gemäss den regulatorischen Vorgaben. Dabei spielen verschiedene EVU-individuelle Faktoren eine Rolle», so von Allmen, «wie etwa die Netztopologie, die getätigten Netzinvestitionen, die Struktur der Netzanschlüsse, die Stromeinkaufspreise und viele mehr.» Diese Berechnung werde dann jeweils von der Regulierungsbehörde ElCom kontrolliert.
«Da mir die Preisberechnungen anderer EVU nicht vorliegen, kann ich hierzu keine Beurteilung abgeben.»
HÜS