«Die Zweitwohnungsgemeinden sind benachteiligt»
21.05.2021 Landwirtschaft, WirtschaftDie Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) fordert, dass die Zweitwohnungsgesetzgebung jetzt revidiert werden muss. Das Gesetz habe zu unerwünschten Nebeneffekten geführt, die so nicht beabsichtigt waren. Diese müssten schnellstmöglich beseitigt werden. ...
Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) fordert, dass die Zweitwohnungsgesetzgebung jetzt revidiert werden muss. Das Gesetz habe zu unerwünschten Nebeneffekten geführt, die so nicht beabsichtigt waren. Diese müssten schnellstmöglich beseitigt werden.
Am vergangenen Mittwoch hat der Bundesrat entschieden, in der Zweitwohnungsgesetzgebung vorerst auf Anpassungen zu verzichten. Er will lediglich einige Anpassungen in der Vollzugspraxis vornehmen. Bevor über weitere Schritte entschieden wird, soll in vier Jahren erst eine weitere Wirkungsanalyse des Zweitwohnungsgesetzes durchgeführt werden.
Im Unterschied zum Bundesrat ist die SAB der Auffassung, dass die Gesetzgebung bereits jetzt angepasst werden muss. Seit der Annahme der Zweitwohnungsinitiative im Jahr 2012 und dem Inkrafttreten des Zweitwohnungsgesetzes im Jahr 2016 sei genügend Zeit verstrichen, um die Wirkungen aufzeigen zu können, schreibt die Arbeitsgemeinschaft in einer Mitteilung. «Die während dieser Zeit gesammelten Erfahrungen zeigen eindeutig, dass die Zweitwohnungsgesetzgebung Konstruktionsfehler aufweist, die vom Schweizer Stimmvolk so nicht beabsichtigt waren.» Teilweise seien diese Konstruktionsfehler dem politischen Kompromiss geschuldet, der im Parlament erarbeitet wurde. Zudem seien in der Praxis immer wieder neue Fragen entstanden, die 2012 bzw. 2016 noch nicht absehbar waren.
Unbeabsichtigte Nebenwirkungen am Beispiel der Hotellerie
«Die Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative hat dazu geführt, dass auch Bereiche stark betroffen sind, die eigentlich gar nicht im Fokus der Initiative standen», schreibt die SAB. Dazu würden namentlich die Hotellerie und die Besitzer von Erstwohnungen gehören.
In der Hotellerie werde durch die aktuellen Bestimmungen des Zweitwohnungsgesetzes der notwendige Strukturwandel verhindert. «Nicht mehr rentable Hotels dürfen nach geltender Gesetzgebung nur zu 50 Prozent in Zweitwohnungen umgenutzt werden. Diese Zahl kam jedoch einzig durch den politischen Kompromiss zustande und hat keinen Bezug zur Realität.» Es sollte vielmehr möglich sein, dass nicht mehr rentable Hotels vollständig aus dem Markt verschwinden können, so die Forderung der SAB. Die Umnutzung zu Zweitwohnungen sei dabei eine von vielen Möglichkeiten. Ebenso gut könne man z. B. Mietwohnungen für Jugendliche, ein Mehrgenerationenhaus oder Appartements einrichten. Gemeinden, welche die Hotels schützen wollen, könnten etwa eine Hotelzone errichten. Den Gemeinden müsse zudem die Möglichkeit eingeräumt werden, dass sie gestützt auf die raumplanerischen Vorgaben des Kantons systemrelevante Hotels bezeichnen können, die nicht umgenutzt werden dürfen.
Auswirkungen auch auf Erstwohnungen
Die Zweitwohnungsinitiative sollte die Zahl an Zweitwohnungen begrenzen. Einschränkungen bei Erstwohnungen waren nicht vorgesehen. «Doch genau dazu hat die Zweitwohnungsgesetzgebung geführt, und die Praxis wird durch das Bundesgericht zusätzlich verschärft», so die Einschätzung der SAB. Erstwohnungen, die vor dem 11. März 2012 bestanden, dürften zwar erneuert, umgebaut, abgerissen und wiederaufgebaut werden. «Erweiterungen werden aber per Gesetz beschränkt auf 30 Prozent. Damit findet bereits eine Einschränkung statt.» Das Bundesgericht habe zudem entschieden, dass eine Kumulation von Abbruch und Neubau bei gleichzeitiger Erweiterung um 30 Prozent nicht zulässig sei. «Das Bundesgericht hat somit die bereits bestehende Beschränkung durch das Gesetz noch weiter verschärft und greift in einen Bereich ein, der eigentlich mit der ursprünglichen Absicht der Zweitwohnungsinitiative nichts zu tun hat», kritisiert die SAB. Die restriktive Haltung des Bundesgerichtes stehe auch im Widerspruch zu den Anliegen der Raumplanung, Siedlungen nach innen zu entwickeln. Für diese Innenentwicklung sei nämlich auch wichtig, dass bestehende Bausubstanz erneuert und an moderne Wohnbedürfnisse angepasst werden dürfe. Dazu könnten auch Erweiterungen sinnvoll sein. Die Forderung der SAB: «Damit diese und weitere unbeabsichtigte Nebenwirkungen der Zweitwohnungsinitiative behoben werden, braucht es eine Revision des Zweitwohnungsgesetzes.»
Die zweigeteilte Schweiz
Ganz generell führe die Zweitwohnungsgesetzgebung auch zu einer Ungleichbehandlung von Gemeinden mit über 20 Prozent Zweitwohnungen gegenüber anderen Gemeinden, so die SAB. Zweitwohnungsgemeinden müssten grosse Auflagen auf sich nehmen und sich mit dem schwer verständlichen und komplexen Gesetz befassen. «Umweltverbände machen Einsprachen gegen alle möglichen Bauvorhaben, auch gegen eindeutige Erstwohnungen und sogar gegen Güllegruben», beklagt die SAB. Die Einsprachenflut gegen Erst- und Zweitwohnungen führe zu jahrelangen Verzögerungen mit Rechtsstreitigkeiten oft bis zum Bundesgericht. «Das wirkt auf Bauherren abschreckend und senkt die Attraktivität von Berggemeinden erheblich. Die Einsprachen führen z. B. auch dazu, dass eine Gemeinde bei der Erstellung neuer Mietwohnungen mit einem Gutachten nachweisen muss, dass für die Mietwohnungen wirklich ein Bedarf besteht.» Zweitwohnungsgemeinden müssten damit gegenüber anderen Gemeinden zusätzliche administrative Hürden bewältigen. «Sie werden quasi unter Generalverdacht gestellt, dass jede neue Wohnung missbräuchlich verwendet werden könnte.» Durch Anpassungen in der Zweitwohnungsgesetzgebung könne diese Ungleichbehandlung zumindest gemindert werden.
PRESSEDIENST SAB / MARK POLLMEIER