Nach anfänglicher Kritik wird die Einführung des «elektronischen Anzeigers» nun nicht mehr bekämpft. Auch der Frutiger Grossrat Kurt Zimmermann ist inzwischen dafür – weil die Gemeinden mehr Wahlfreiheit erhalten.

BIANCA HÜSING
Lästige Papierflut oder unverzichtbarer Informationskanal? Die Meinungen über den Stellenwert der Amtsanzeiger gehen auseinander. Während sie gerade im ländlichen Raum viele noch sehr genau lesen, wandern sie etwa in der Stadt Bern oft direkt vom Briefkasten in den Abfall. Fakt ist: Die Gemeinden sind verpflichtet, amtliche Bekanntmachungen wie zum Beispiel Baugesuche gratis zur Verfügung zu stellen. Im Kanton Bern übernehmen 24 amtliche Anzeiger diese Aufgabe, die jede Woche in alle Haushalte ihres jeweiligen Verteilgebiets geschickt werden. Aktuell kommen sie noch in Papierform daher, doch das könnte sich bald ändern. In rund zwei Wochen wird der Grosse Rat über die Reform des Gemeindegesetzes abstimmen – und damit über die Einführung des «e-Anzeigers».

Erschwerter Zugang zu wichtigen Infos
Noch vor einem Jahr rief die geplante Reform grossen Widerstand hervor. Gemeinden, ländliche Interessengemeinschaften und auch der Anzeigerverband des Kantons Bern äusserten sich kritisch zum «e-Anzeiger». Vor allem in ländlichen Regionen sei das Printformat nach wie vor massgeblich. Eine ausschliessliche Onlinepublikation erschwere den Zugang zu wichtigen Informationen. Statt automatisch damit versorgt zu werden, müssten die BürgerInnen aktiv im Netz danach suchen – was einem Wechsel vom Bring- zum Holprinzip gleichkomme.

Auch Kurt Zimmermann, SVP-Grossrat und Präsident der Planungsregion Kandertal, war gegen die Gesetzesreform. «Dies ist ein frontaler Angriff auf die gedruckten Anzeiger, die einen grossen Rückhalt in der Bevölkerung geniessen und eine Scharnierstelle zwischen Behörden und Bevölkerung darstellen», schrieb er in einem Leserbrief im «Frutigländer».

Abkehr vom Entweder-oder-Prinzip
Doch mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Nach der Vernehmlassung ist der Regierungsrat den Kritikern in einem zentralen Punkt entgegengekommen. Die Gemeinden müssen sich nicht mehr für oder gegen das Printformat des Anzeigers entscheiden – sie können theoretisch auch beide Varianten parallel laufen lassen. Für Kurt Zimmermann ist das Grund genug, dem Gesetz nun zuzustimmen. «Es ging nie darum, sich der Digitalisierung zu versperren. Dass sich die Zeiten ändern, ist unbestritten», erklärt der SVP-Politiker. Auch die Gemeinden und Anzeigerverbände stünden einer Onlinepublikation grundsätzlich offen gegenüber. «Nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf hätten sie sich aber festlegen und die Umstellung praktisch von heute auf morgen vollziehen müssen.» Durch die Abkehr vom strengen Entweder-oder-Prinzip könnten sie den Wandel nun viel flexibler gestalten und den Bedürfnissen ihrer Leserschaft anpassen. Der «Anzeiger Region Bern» sei bisher schliesslich der einzige, der mit roten Zahlen kämpfe und für den sich der komplette Umstieg lohnen würde.

Kantonale Plattform ohne Werbung?
Auch die zuständige Grossratskommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen (SAK) befürwortet die Gesetzesreform. Umstritten ist lediglich die Frage, welches Portal die Gemeinden für ihre Onlinepublikationen nutzen sollen. Der Regierungsrat sieht dafür eine kantonale Plattform vor, doch die Mehrheit der SAK ist dagegen. Kommissionssprecher Kurt Zimmermann begründet: «Auf der kantonalen Plattform wären ausschliesslich amtliche Publikationen zugelassen. Für alles andere – zum Beispiel nicht amtliche Bekanntmachungen oder Inserate – müssten die Gemeinden eine andere Lösung suchen, was die Sache unnötig kompliziert macht.» Stattdessen sollten die Gemeinden und Anzeigerverbände ihre Plattform selbst wählen können und dabei eine einheitliche, kantonale Lösung anstreben. «Da sich der Regierungsrat in dieser Frage aber nicht bewegen will, erwarte ich eine spannende Diskussion im Grossen Rat», so Zimmermann. Die erste Lesung des Gesetzes sei für den 16. oder 17. Juni geplant.

Ein Votum für den Wandel?

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