Als das C-Wort noch unbekannt war
13.12.2024 GesundheitVor fünf Jahren nahm in Zentralchina eine Krankheitswelle ihren Anfang, die wenige Wochen später den gesamten Globus erfasste. Vieles, was danach geschah, trat auch schon bei früheren Seuchen auf. Doch Corona war die erste Pandemie des digitalen Zeitalters – und das ...
Vor fünf Jahren nahm in Zentralchina eine Krankheitswelle ihren Anfang, die wenige Wochen später den gesamten Globus erfasste. Vieles, was danach geschah, trat auch schon bei früheren Seuchen auf. Doch Corona war die erste Pandemie des digitalen Zeitalters – und das hat bis heute weitreichende Folgen.
MARK POLLMEIER
Vermutlich schon im November 2019 gab es in China die ersten Fälle jener rätselhaften Lungenerkrankung, die später den Namen Covid-19 erhielt. Ab Anfang Dezember begann man in der chinesischen Metropole Wuhan damit, die Erkrankten offiziell zu erfassen.
Am Silvestertag 2019 informierte China die Weltgesundheitsorganisation WHO über eine «virale Lungenkrankheit unbekannter Ursache»; zu diesem Zeitpunkt waren in Wuhan offiziell 27 Infizierte registriert. Tatsächlich waren es zu diesem Zeitpunkt wohl schon deutlich mehr, und wie man heute weiss, hatte das Virus China bereits verlassen – zum Beispiel nach Mailand und Turin, wo viele chinesische Gastarbeiterinnen in der Textilindustrie arbeiten. Am 31. Dezember berichteten internationale Medien erstmals vage über die Kranheitsfälle; die Lage war zu diesem Zeitpunkt noch unklar.
Nur drei Monate später kannte jedes Kind die Begriffe «Corona» und «Covid-19». Millionen Menschen weltweit waren unterdessen erkrankt, die WHO hatte den Pandemiefall ausgerufen, die Situation änderte sich von Tag zu Tag. In vielen Ländern gab es teils massive Einschnitte ins Alltagsleben. Die Gesundheitsversorgung – insbesondere die Spitäler – wurde auf eine harte Probe gestellt.
Die Erinnerung wird bleiben
Viele Details aus dieser Zeit verblassen mittlerweile. Doch wer die erste Pandemie des 21. Jahrhunderts bewusst miterlebt hat, wird sie wohl nie mehr vergessen: die Versammlungverbote, die Hygieneregeln samt Maskenpflicht, die geschlossenen Schulen, das Hoffen auf eine Impfung. Und natürlich die irgendwann einsetzenden, erbitterten Diskussionen über Sinn und Zweck der Anti-Corona-Massnahmen. Ganz gleich, wo man in diesen Debatten stand: Die Wochen und Monate ab März 2020 werden als eine Zeit in Erinnerung bleiben, in der sich Politik und Gesellschaft im Ausnahmezustand befanden.
Alte Reflexe, neue Medien
Ausnahmezustand – diese Beschreibung ist einerseits zutreffend, denn es geschahen ständig Dinge, die man bis dahin nicht für möglich gehalten hatte. Ein Blick in die Geschichte zeigt andererseits die verblüffenden Parallelen zu früheren Seuchen. Das konfuse Agieren der Behörden, die sich widersprechenden Stimmen der Wissenschaft, der internationale Egoismus, die Suche nach Schuldigen und Sündenböcken, die gesellschaftlichen Verwerfungen – all das gab es auch schon im 18. Jahrhundert zu Zeiten der Cholera. Selbst Hamsterkäufe (siehe Bild) sind nichts Neues; sie traten schon während der Spanischen Grippe auf. Damals fuhren die Leute aus den Städten aufs Land und versuchten, sich dort mit Lebensmitteln einzudecken.
Doch zu früheren Pandemien gibt es mindestens einen entscheidenden Unterschied: die umfassende Verfügbarkeit von Information. Spätestens im Februar / März 2020 wurde Corona das bestimmende Thema in alten und neuen Medien, in Behördenstäben und Regierungszentralen, und dank Internet waren sämtliche Nachrichten und Verlautbarungen rund um die Uhr abrufbar.
Viele Öffentlichkeiten
Wie sich bald zeigte, führte diese geballte Informationsflut nicht etwa dazu, dass die Bevölkerung jederzeit gut informiert war. Vielmehr bildete sich eine ganze Reihe von Öffentlichkeiten heraus, die parallel existierten. Jede davon hatte ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Sicht auf die Pandemie und die Gegenmassnahmen. Und je nachdem, welche Öffentlichkeit man bevorzugte, war eine Verständigung mit den anderen zeitweise kaum noch möglich.
Die ständig mutierenden Nachrichten, die sich in Windeseile und teilweise unbemerkt verbreiteten, waren quasi eine Pandemie in der Pandemie, und während die virale Seuche mittlerweile weitgehend ausgestanden ist, wirkt diese «Infodemie» bis heute nach.