«Wir brauchen das Vertrauen der Grundeigentümer»
31.01.2025 Region, TourismusSeit 2015 wird an einem überregionalen Bikestreckennetz gearbeitet. Mitte Februar dürfte der dafür nötige Richtplan endgültig abgesegnet sein. Ab diesem Zeitpunkt können die Gemeinden mit der Umsetzung einzelner Routen beginnen. Warum das kein ...
Seit 2015 wird an einem überregionalen Bikestreckennetz gearbeitet. Mitte Februar dürfte der dafür nötige Richtplan endgültig abgesegnet sein. Ab diesem Zeitpunkt können die Gemeinden mit der Umsetzung einzelner Routen beginnen. Warum das kein Selbstläufer wird, erklärt Andreas Grünig, Geschäftsführer der Planungsregion Kandertal.
BIANCA HÜSING
Biken in den Bergen ist, zumindest ohne Unterstützung eines Elektromotors, ein Kraftakt. Dasselbe gilt offenbar, wenn man die Grundlagen dafür schaffen will. Fast zehn Jahre ist es her, dass die Planungsregionen Kandertal und Obersimmental-Saanenland mit den Vorbereitungen für ein Bikestreckennetz begannen. Seither hat man nur sporadisch von diesem Projekt erfahren, doch hinter den Kulissen ist eine Menge passiert. Rund 80 Routen wurden im Detail geprüft – zum Beispiel auf mögliche Engstellen und Hindernisse oder auf ihr Konfliktpotenzial zwischen Bikern, Wanderern und Grundeigentümern. Als der entsprechende Richtplan 2019 zur öffentlichen Mitwirkung auflag, waren noch knapp 50 Routen übrig. 111 Seiten umfasste das Dossier, und die Liste der involvierten Gemeinden, Interessenvertreter und Behörden beinhaltete mehr als 30 Namen (der «Frutigländer» berichtete). Dass die Mitwirkung und auch die weitere Planung nicht schnell über die Bühne gehen würden, war vor diesem Hintergrund schon absehbar.
Nun hat der Mountainbike-Richtplan die grössten Hürden genommen. Der Kanton hat ihn bereits genehmigt, wie einer Publikation im «Frutiger Anzeiger» zu entnehmen war. Zwar könnten noch bis zum 18. Februar die beiden Planungsregionen oder die betroffenen Gemeinden Beschwerde einlegen. Davon ist allerdings nicht auszugehen.
Was bedeutet das nun für die Umsetzung des touristisch lang ersehnten Bikenetzes? Andreas Grünig, Geschäftsführer der Planungsregion Kandertal, gibt dem «Frutigländer» Auskunft.
Herr Grünig, gemäss der Publikation im «Frutiger Anzeiger» sind nur noch die Gemeinden einspracheberechtigt. Falls bis Fristende nichts dergleichen kommt: Ist der Richtplan dann in trockenen Tüchern?
Das Richtplan-Verfahren sieht vor, dass nach der Genehmigung und nach Eintritt der Rechtskraft – und ohne Beschwerden durch die Gemeinden oder Regionen – das Inkrafttreten auch noch öffentlich bekannt gemacht wird. Das wäre dann tatsächlich der letzte Schritt in Sachen Richtplan.
Der Richtplan ist aber nur eine Planungsgrundlage. Wenn es später um konkrete Routen geht, könnte es theoretisch wieder Einsprachen von Privatpersonen geben – zum Beispiel von Grundbesitzern, über deren Land eine Route führen soll. Oder sind alle Betroffenen bereits im Boot?
Unsere beiden Berg- und Planungsregionen haben immer umfassend und transparent informiert, inklusive Info-Veranstaltungen und mit persönlichen Schreiben an die Grundeigentümer. Das wollen wir weiterhin so halten. Bei allen Veranstaltungen haben wir uns dazu bekannt, eine Route nur mit Zustimmung der Grundeigentümer zu signalisieren bzw. zu betreiben. Während des Prozesses wurden Routen gestrichen, die absehbar keine Grundeigentümerzustimmung erreichen würden. Wenn sich bei der Umsetzung der verbliebenen Routen doch noch Widerstand abzeichnen sollte, würden wir gemeinsam mit allen Betroffenen versuchen, Verbesserungen zu erarbeiten und dabei immer auch Verantwortung übernehmen. Wir suchen eine vertrauensbasierte Zusammenarbeit. Lösungen können dabei mit gegenseitigem Verständnis gemeinsam entwickelt werden. Jenen Grundeigentümern, die einer Bikeroute auf ihrem Land zustimmen, sollen keine Nachteile entstehen. Dafür müssen wir einen Aufwand betreiben und dafür haben wir auch vorgesorgt.
Inwiefern?
Die Haftpflicht-Versicherungslösung der Regionen bietet einen umfassenden Schutz für Grundeigentümer, Land- und Waldbewirtschafter sowie Alpschaften und Gemeinden. Abgedeckt sind Haftungsansprüche von Bikenden, falls sie zum Beispiel Schäden durch Tiere erleiden. Weiter wird ein umfassender Rechtsschutz geboten – auch gegen ungerechtfertigte Ansprüche. Bei Zaunquerungen oder daraus entstehenden Konflikten (beispielsweise bei der Bewirtschaftung) bieten die zuständigen Gemeinden und die Region Unterstützung.
Sie haben es bereits angesprochen: Routen, die sich schon früh als chancenlos erwiesen, wurden aus dem Richtplan gestrichen. Wie viele von den einst angepeilten 80 Routen sind verblieben? Und wie viele davon verlaufen durchs Frutigland?
Im Richtplan aufgeführt werden 46 Routen, verteilt über die Talschaften unserer Berg- und Planungsregionen Kandertal und Obersimmental-Saanenland. Davon liegen 9 Routen mit rund 200 Kilometern im Kandertal. Die Streichung von über 30 Routen geschah aufgrund fehlender Grundeigentümerzustimmungen oder wegen teilweise zu hohen Schwierigkeitsgraden. Unsere Routen sind nämlich keine «Abfahrtspisten», sondern familientaugliche und entsprechend gemächlich zu befahrende Strecken.
Wie geht’s nach Inkrafttreten des Richtplans weiter? Welche Routen haben jetzt oberste Priorität?
Es ist nicht möglich, alle Routen gleichzeitig zu realisieren. Das heisst konkret, dass wichtige Strecken – mit Netzfunktion oder bereits aktuell viel befahrene Wege und Trails – priorisiert werden müssen. Dies geschieht in einer kommunalen, lokalen und regionalen Absprache. Bis Mitte Februar werden die Geschäftsleitungen der Planungsregion Kandertal und der Bergregion Obersimmental-Saanenland das weitere Vorgehen definieren. Anschliessend stimmen wir uns mit dem kantonalen Tiefbauamt ab. Ab jetzt ist es noch wichtiger, die Grundeigentümer und Bewirtschafter miteinzubeziehen. Das bereiten wir zurzeit gemeinsam mit den Gemeinden und BEBike, der kantonalen Fachorganisation fürs Mountainbike, vor. Wir werden «Locals» als zuständige Ansprechpersonen bestimmen, Infoveranstaltungen organisieren und die Grundeigentümer in diesem Zusammenhang auch anschreiben.
Das sind ganz schön viele Beteiligte. Wer ist denn in letzter Konsequenz zuständig?
Für die Umsetzung sind grundsätzlich die Gemeinden zuständig. Da aber die meisten Routen über die Gemeindegrenzen hinaus führen, ist eine regionale Koordination sinnvoll.
Im Grunde müssen doch nur Schilder aufgestellt werden. Oder sind auch bauliche Massnahmen erforderlich?
Nein, es geht tatsächlich «nur» um die Signalisation. Dafür brauchen wir aber eine Verbindlichkeit und sind dazu – ich möchte es noch einmal betonen – auf die Grundeigentümer angewiesen. Um eine lokale und mit den Umständen vertraute Ansprechperson zu bieten, auch bei der Umsetzung und bei Problemen – und die wird es sicher auch geben, da machen wir uns nichts vor – wollen wir gut organisiert und strukturiert starten. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir bei der Umsetzung nur erfolgreich sein können, wenn wir das Vertrauen der Grundeigentümer und Bewirtschafter auf unserer Seite wissen. Daran haben wir uns bisher ausgerichtet und wollen das auch in Zukunft tun.