Kreative Köche, konziliante Kritiker
20.11.2020 Region, Wirtschaft, GesellschaftGASTRONOMIE Sechs Wochen später als sonst ist der neue GaultMillau-Führer erschienen – mit etwas milderen Urteilen als auch schon. Ein Restaurant aus der Region hat einen zuvor verlorenen Punkt zurückbekommen, für die übrigen ändert sich die Bewertung nicht.
BIANCA ...
GASTRONOMIE Sechs Wochen später als sonst ist der neue GaultMillau-Führer erschienen – mit etwas milderen Urteilen als auch schon. Ein Restaurant aus der Region hat einen zuvor verlorenen Punkt zurückbekommen, für die übrigen ändert sich die Bewertung nicht.
BIANCA HÜSING
Und jährlich grüsst der Restaurantkritiker ... Nein, grüssen tut er eigentlich nicht – zumindest nicht in seiner Rolle als Kritiker. Um einen realistischen Einblick in die Qualität eines Lokals zu bekommen, geben sich die GaultMillau-Testesser natürlich nicht zu erkennen. Zuweilen tauchen sie in einer Phase auf, in der es gerade nicht so rund läuft. Dann erwischen sie die Küchenchefs oder Kellner sozusagen auf dem falschen Fuss.
So erging es im letzten Jahr dem Adelbodner Parkhotel Bellevue. Weil dem Kritiker vor allem der Service missfiel, verlor das Restaurant damals einen seiner 14 Punkte. Dieses Jahr hat es ihn wieder zurückbekommen. «War es nur ein Ausrutscher?», fragt der aktuelle Gault-Millau-Führer. «Letztes Jahr sind wir mit dem ‹Bellevue› hart ins Gericht gegangen, dieses Jahr wurden wir im eleganten Artdéco-Haus positiv überrascht.» Der Küchenchef habe sich «aufgerappelt» und eine überzeugende Karte und zwei Menüs zu fairen Preisen aufgelegt.
Das «Bellevue» steht somit wieder dort, wo es vor zwei Jahren schon stand. Einen allzu grossen Unterschied macht dies allerdings nicht: Sowohl 13 als auch 14 Punkte stehen im GaultMillau-Universum für eine «sehr gute Küche».
Geschmacklich ein paar Abstriche
15 und 16 Punkte erhalten jene Restaurants, die nach Auffassung der Kritiker eine hohe Qualität und Kreativität aufweisen. Und dazu zählen im Frutigland der Reichenbacher «Bären» (15), das «Doldenhorn» in Kandersteg (15) und der «Alpenblick» in Adelboden (16). Sie alle überzeugten die Testesser sowohl in puncto Qualität als auch beim Service und konnten ihren Punktestand von den Vorjahren halten.
Auch für die übrigen Restaurants in der Region hat sich bei der Bewertung nichts geändert. Der «Tropengarten» im Frutiger Tropenhaus, das Aeschirieder «Panorama» und das «Hohliebestübli» in Adelboden werden nach wie vor mit 14 Punkten dekoriert. Die beiden 13-Punkte-Restaurants im Belle Epoque Hotel Victoria (Kandersteg) und am Blausee konnten ihre Vorjahresergebnisse zwar ebenfalls halten, doch hier fanden die Testesser durchaus auch kritische Worte. So wurde in Kandersteg die «nicht immer präzise Umsetzung» bemängelt, im Blausee- Restaurant konnten die «wunderschön präsentierten Kreationen» den Kritiker «geschmacklich nicht immer ganz überzeugen». Gleichwohl überwiegen in beiden Restaurants die positiven Eindrücke.
Rücksicht auf besondere Umstände
Dass der GaultMillau-Führer so spät erschienen ist, hängt mit der Corona-Pandemie zusammen. Platzbeschränkungen in den Gaststuben und Risikopersonen unter den Kritikern machten das Testessen dieses Jahr zu einer Herausforderung. Ausfallen lassen wollte man die GaultMillau-Ausgabe allerdings nicht, sie sei dieses Jahr sogar wichtiger denn je. Die Punkte stellten schliesslich eine wichtige Unterstützung für Restaurantbetriebe dar, erläutert Chefredakteur Urs Heller gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Die Kritiker seien denn auch instruiert worden, in ihrer Beurteilung nicht zu hart zu sein und die besonderen Umstände zu berücksichtigen – wenn sich etwa wegen Kurzarbeit die Wartezeit verlängere oder die Auswahl kleiner sei. Auch von einem Punktabzug sollten die Kritiker weitgehend absehen. Wenn allerdings die Qualität nicht stimme, sollten sie durchaus «bitterböse Worte» im schriftlichen Teil der Beurteilung wählen und damit sozusagen die «gelbe Karte» zeigen.